44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
späteres Leben sprach er, über die Zigeunerin Zarba, mit der er ebenfalls auf Veranlassung jenes Cortejo, der dann später nach Rodriganda ging, ein Liebesverhältnis angeknüpft hatte, nachdem Cortejo ihrer überdrüssig geworden war. Sie hatte ihn zuerst auf das Vorhandensein eines Sohnes aufmerksam gemacht, und über die Reue sprach er, von der er nun ergriffen worden sei. Diese Reue war so aufrichtig, so tief und wahr, sie sprach sich so in seinen Worten, seinen Gebärden und seinen Tränen aus, daß Flora auf das tiefste davon ergriffen wurde. Als er geendet hatte, fragte sie schluchzend:
„Glaubst du nicht Papa, daß diese fürchterliche Zarba dich belogen hat?“
„Nein; sie hat die Wahrheit gesprochen.“
„So müssen wir alles tun, um meinen Bruder aufzufinden. Ist er wirklich so ein Mann, wie sie gesagt hat, so brauchen wir uns ja seiner nicht zu schämen, und lebt er in Armut und Elend, so ist es ja noch viel mehr unsere Pflicht, ihn zu erretten und an die ihm gebührende Stelle zu setzen.“
„Aber“, fragte er, „denkst du dabei auch an die Verluste, die du erleiden wirst, an die schweren Opfer, die du zu bringen hast?“
„Nein, Vater, daran denke ich nicht“, antwortete sie aufrichtig. „Das alles wird für mich kein Opfer sein. Ich werde einen Bruder haben, dem meine Liebe gehört; das wiegt alles auf. Wir müssen die Nachforschungen von neuem beginnen!“
Seine matten Augen leuchteten bei diesen Worten auf, die eine so schwesterliche Großmut bekundeten. Das hatte er nicht erwartet. Er sagte:
„Und doch ist es Pflicht, dich über alles aufzuklären, Flora. Wenn ich keinen Sohn habe, so gehört dir nicht nur mein vollständiges Erbe, sondern auch mein Rang und Titel. Nach spanischen Gesetzen bist du nach meinem Tod Herzogin, und dein erster Sohn erbt die Herzogskrone der Olsunnas, mag dein Gemahl immer heißen, wie er wolle. Auf dieses Erbe und diese Krone verzichtest du für dich und deine Nachkommen, wenn du nach dem Bruder suchst, der ja auch jünger ist als du.“
„Das ist erstens meine Pflicht, und zweitens tue ich es gern, Papa. Diese Frage ist ein für allemal entschieden.“
„Gott sei Dank!“ seufzte er nun endlich erleichtert. „Es wird sich also die große Besorgnis, die mich in letzter Zeit so peinigte, nicht erfüllen, du wirst meinem Andenken, wenn ich gestorben sein werde, nicht fluchen, mein Kind?“
Da legte sie die Arme um ihn, küßte ihn auf die bleichen Lippen und rief: „Was denkst du von mir, mein Vater! Du weißt doch, wie sehr ich dich liebe! Was du gefehlt hast, darüber darf ich nicht richten, denn ich bin deine Tochter, ich bin ja selbst sünd- und fehlerhaft. Dein Gewissen und Gott sind deine einzigen Richter, und unsere Religion lehrt, daß Gott die Liebe sei, er zürnt nicht ewig. Du hast den Willen, alles zu sühnen, und ich gebe dir mit Freuden die Hand dazu. Ich versichere dich, daß mir dies nicht schwer fällt, ja, ich fühle vielmehr eine unendliche Freude, so unerwartet ein brüderliches Herz zu finden, dem ich meine Liebe widmen darf. Handle ganz so, wie deine Reue es dir eingibt, ich bin ja gern mit allem einverstanden!“
Der früher so stolze und starke Mann drückte sie an sich und weinte.
„Meine Tochter, meine liebe, gute Tochter!“ sagte er. „Gott wird dir es lohnen, daß du so nachsichtig mit mir bist! Nun aber weißt du auch, warum ich in letzter Zeit so froh war, dein Herz noch frei von Liebe zu wissen. Du wirst auf das Glück der Ehe verzichten müssen. Alles, was ich habe, gehört dem Sohn, und es steht ganz in seinem Belieben, wieviel er dir abtreten will. Eine Rente und eine Aussteuer hast du zwar zu fordern, doch, wenn ich sterben sollte, nur von ihm. Dein mütterliches Erbteil beträgt nur zwei Millionen, es gehört zwar unbeschränkt nur dir, aber du siehst ein, daß es zu wenig ist, eine standesgemäße Ehe zu schließen.“
Da lachte sie trotz des Ernstes des Augenblickes hell auf und sagte:
„Nun, so schließe ich eine nicht standesgemäße Ehe. Dazu werden die zwei Millionen gewiß hinreichend sein.“
Er blickte sie forschend an.
„Flora“, fragte er dann besorgt, „du hast mir etwas verheimlicht?“
„Nein, Papa“, antwortete sie, „aber es ist gestern etwas geschehen, was ich dir ganz offen erzählen muß.“
Bei diesen Worten bedeckte eine tiefe Glut ihre Wangen, so daß er ausrief: „Kind, du liebst!“
„Ja“, gestand sie. „Ich liebe Papa, und dem, den ich liebe, gehört mein Herz und
Weitere Kostenlose Bücher