44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
mein ganzes Leben. Ich werde sein Weib und das keines anderen!“
„Wer ist es?“
„Er ist ein Künstler, ein deutscher, berühmter Maler, zwar von Adel, aber nur mit einem einfachen ‚von‘. Ich gestehe dir sogar, daß er seiner Kunst wegen von seinem Vater verstoßen wurde!“
Der Herzog schwieg. Seine Augen schlossen sich, und sein Kopf sank leise in das Kissen zurück. So lag er lange, lange wortlos da. Was mochte er denken, er, der Herzog, dessen Tochter ihm gestand, daß ihre ganze Liebe einem armen, von seinem Vater verstoßenen Maler gehöre!
Flora beobachtete die Mienen des Vaters, aber es zeigte sich in seinem eingefallenen Gesicht nicht ein einziger Zug, der seine Gedanken verraten hätte. Da wurde es ihr angst. Es war, als ob er tot vor ihr daläge, gestorben vor Schreck über die ebenso unerwartete wie erschütternde Mitteilung, die sie ihm gemacht hatte. Das preßte ihr abermalige Tränen aus, ihr kindliches Herz zitterte, und sie sagte stockend:
„Papa, er ist ein Sohn ohne Vater, ganz wie der deinige. Wenn du es haben willst, so werde ich dieser Liebe entsagen!“
Es verging abermals eine Weile, dann öffnete er die Augen und antwortete: „Mein Kind, ich habe soeben einen schweren Kampf durchkämpft, einen Kampf mit meinem Recht und den Ansichten unseres hohen Standes, und ich habe – gesiegt. Die Tochter des Herzogs von Olsunna liebt einen Edelmann, einen von seinem Vater Verstoßenen! Dieses Geständnis hat mich tief erschüttert. Ich sehe darin eine wohlverdiente Strafe für mich, denn ich habe die Liebe einer Erzieherin, die Liebe von noch tiefer stehenden Mädchen besessen und – betrogen. Meine Liebe war unlauter, die deinige aber ist rein. Du hast mir deine Hand geboten und Opfer gebracht, um den Sohn der Erzieherin zu deinem Bruder zu machen; es wäre grausam, wenn ich dir dein Herz brechen wollte. Ich stehe am Rande des Grabes; da rechnet man mit anderen Faktoren als im vollen, frischen Leben. Ich sehe den Menschen, aller äußeren Würden, alles falschen Glanzes entkleidet, den ihm eine zufällige Geburt verleiht, ich taxiere jetzt mit dem Auge Gottes, vor dem nicht der Rang, sondern nur die Eigenschaft des Herzens gilt, und so will ich dir meine Antwort sagen: Der Name Olsunna darf nicht aussterben; die Traditionen unseres Geschlechts müssen erhalten und fortgeführt werden; bleibst du die einzige Trägerin dieses Namens, so bist du gezwungen, eine standesgemäße Ehe einzugehen, und dein erster Sohn wird Herzog von Olsunna werden; findet sich aber dein Bruder, so habe ich ihn in meinem Testament zu meinem Nachfolger ernannt. In den Händen des Notars befindet sich ein Gesuch an den Herrscher Spaniens, das zur Folge haben wird, daß man ihn anerkennt, wenigstens hoffe ich das. Diese Anerkennung stände außer allem Zweifel, wenn ich länger leben und die einstige Erzieherin nachträglich zu meinem Weib machen könnte. Bleibt diese Anerkennung aus, so bist du die Erbin der Olsunnas und hast deine Pflicht zu tun, wird sie aber nicht verweigert, so gebe ich dir hiermit die Erlaubnis zur Verbindung mit dem Geliebten, vorausgesetzt, daß er beweist, daß er ein Ehrenmann ist, der nur unschuldigerweise von seinem Vater verstoßen wurde.“
Diese lange Rede war oft durch längere Hustenanfälle unterbrochen worden. Als er jetzt schwieg, kniete Flora vor seinem Lager nieder, benetzte seine Hände mit Tränen des Schmerzes und der Freude zugleich und schluchzte:
„Dank, tausend Dank, mein lieber, nachsichtiger Vater! Dein Wille soll mir als unumstößliches Gesetz gelten, aber ich versichere dir, daß Otto ein Ehrenmann ist. Ich bitte dich, dir ihn vorstellen zu dürfen! Prüfe ihn und sei überzeugt, daß er diese Prüfung vollständig bestehen wird.“
„Ich hoffe es, mein Kind! Jetzt aber gönne mir die Ruhe, deren ich bedarf! Ich habe mir doch zuviel zugemutet und bin sehr müde. Schlafe wohl, Flora, und bitte Gott, daß er alles zum besten lenke und deinem Vater vergebe, was dieser gefehlt und verbrochen hat.“
Sie trennten sich. Flora fand keinen Schlaf, ihre Erregung war zu groß, und die widerstreitendsten Gefühle ihres Herzens stürmten auf sie ein. Es ging ihr wie dem Geliebten, sie fand erst gegen Morgen die nötige Ruhe und erwachte erst, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand.
Eine Stunde später saß sie wieder beim Vater. Draußen auf der Bank, vor dem Haus hatte abermals der Schiffer Platz genommen und strickte an seinem Netz. Da hörten sie nahende
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