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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Jacht in See geht. Hören Sie den Schuß?“
    In diesem Augenblick ertönte ein Kanonenschuß. Flora eilte an das Fenster, von dem aus man die Bucht überblicken konnte. Sie sah die Jacht, die die Anker gelichtet hatte und sich von der Küste löste. Auf dem Hinterdeck stand Sternau und schwang sein weißes Tuch, um einen Mann verabschiedend zu grüßen, der am Ufer stand und dasselbe Zeichen gab. Dieser Mann war Otto von Rodenstein. Sie hätte hinauseilen mögen, um die Jacht zurückzurufen, wenn das nicht auffällig gewesen wäre. Es war ihr, als sei ihr plötzlich ein Leid angetan worden, als habe ihr jemand einen Stich ins Herz versetzt.
    „Geht sie wirklich in See?“ fragte da der Herzog.
    „Ja, Papa“, antwortete sie. „Er hat nicht länger bleiben können und es uns nicht gesagt, um sich unserem Dank zu entziehen.“
    „Mein Gott, ich hatte meine ganze Hoffnung auf ihn gesetzt!“
    „Er wird die Hoffnung nicht täuschen. Wir müssen sehen, was in seinem Brief steht.“
    Flora gab dem Schiffer das Zeichen, daß er sich zurückziehen könne, und öffnete das große Kuvert, das sich sehr inhaltreich anfühlte. Es enthielt das versprochene Rezept, zwei versiegelte Briefe und eine offene Zuschrift Sternaus, die folgendermaßen lautete:
    „Verzeihen Sie, daß ich zu Ihnen nicht von der Notwendigkeit meiner Abreise sprach! Es gibt Verhältnisse, die mir nicht gestatten, eine Minute zu verlieren. Als ich bei Ihnen war, wurde bereits der Kessel meiner Jacht geheizt, und ich sah die Notwendigkeit ein, Ihnen die Aufregung und Anstrengung eines mündlichen Abschiedes zu ersparen. Sie dürfen aber trotzdem an der Zuversicht festhalten, daß Ihre Gesundheit zurückkehren wird. Nehmen Sie den Inhalt der beifolgenden Flasche so, wie ich es Ihnen gesagt habe, und Sie werden in einer Woche ihre Reise antreten können. In Paris und in Straßburg werden Sie ausruhen und dann über Mannheim nach Mainz gehen, wo man Sie leicht nach Rheinswalden weisen kann. Dort wird man Sie infolge der beiden beiliegenden Briefe mit offenen Armen aufnehmen.
    Sobald Sie sich dort ausgeruht und eingerichtet haben, lassen Sie sich nach dem beifolgenden Rezept das Mittel bereiten, das Sie vollständig herstellen wird. Alle Ihre weiteren Fragen kann mein Freund, Herr Otto von Rodenstein, Ihnen beantworten, dem ich soeben die ausführlichsten Instruktionen gegeben habe, und der infolge Ihrer freundlichen Einladung Ihnen morgen seine Aufwartung machen wird.“
    Der Schluß des Briefes enthielt die gewöhnlichen Höflichkeitsphrasen und die dringende Bitte Sternaus, seinen Anordnungen Folge zu leisten.
    „Ich atme wieder auf!“ gestand der Herzog. „Diese Worte geben mir meine Zuversicht wieder, und ich werde alles tun, was er empfohlen hat. Dieser Sternau ist nicht nur ein außerordentlicher, sondern auch ein edler Mensch. Er bietet uns eine Gastfreundschaft, ohne zu wissen, wer wir sind, und ich werde dieselbe schon deshalb akzeptieren, weil mir auf diese Weise die sichere Gelegenheit geboten wird, die Dankbarkeit, die ich ihm schuldig bin, wenigstens den Seinen zu erweisen. Wie sind die Briefe adressiert, mein Kind?“
    „Der eine an Frau Sternau und der andere an den Oberförster Hauptmann von Rodenstein in Rheinswalden. Ah, welche Überraschung!“
    „Was, Flora?“
    „Dieser Hauptmann von Rodenstein ist ja – der Vater Ottos!“
    „Wirklich?“ fragte er überrascht. „Sollte dies auch ein Fingerzeig sein, meine Tochter? Wir werden also den Vater deines Geliebten kennenlernen und imstande sein, den inneren Wert dieses letzteren beurteilen zu können.“
    „O, mein Vater, über diesen Wert gibt es bei mir keinen Zweifel. Du wirst ihn achten und lieben, sobald du ihn kennenlernst.“
    „Ich hoffe das um deinetwillen. Aber bitte, gib mir einmal von der Medizin!“
    Flora öffnete die Flasche und reichte ihrem Vater die vorgeschriebene Dosis, die eine wunderbare Wirkung hatte, denn er fiel bereits nach einigen Minuten in einen Schlaf, dem man anmerkte, daß er erquickend sei, denn es lagerte sich über das Gesicht des Kranken ein ruhiges, glückliches Lächeln; seine schwache Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Zügen, und sein Atem ging leise und gleichmäßig wie in den Tagen seiner Kraft und Gesundheit.
    Dieser Schlaf dauerte sehr lange, fast bis zum Abend, und als der Herzog dann erwachte, fühlte er sich so gestärkt, daß er vermeinte, aufstehen und im Zimmer herumspazieren zu können. Doch blieb er auf seinem Ruhebett

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