45 - Die Banditen von Antares
Wissenschaften, Drajak?« fragte Lally.
»Ich weiß gern über die Dinge Bescheid.«
»Einige Dinge ...«, sagte Paynor, hielt dann aber inne. Das kam mir seltsam vertraut vor. Ich lächelte nicht. Bei Krun, wenn eine Sache von Wichtigkeit ist, dann muß sie eben allen bekannt sein.
Die Steinplatten unter meinen Füßen erbebten, und das Rütteln erfaßte meine Beine und dann meinen ganzen Körper, so daß ich zur Seite taumelte. Lally griff nach mir, um nicht selbst zu fallen. Der Boden bewegte sich.
Wände und Decke erzitterten. Das knirschende Dröhnen, das diesen Erdstoß begleitete, ließ mir das Blut in den Adern erstarren. Die Welt um uns herum geriet in Bewegung.
»Ein Erdbeben!« rief Logan überflüssigerweise.
»Cymbaro wird uns beschützen!« San Paynor hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als er ins Stolpern geriet und von den Füßen gerissen wurde.
Duven sprang ihm zu Hilfe. Die ganze gegenüberliegende Wand stürzte donnernd in sich zusammen, und Trümmer flogen uns um die Ohren. Ein Splitter traf mich an der Hüfte, und ein größeres Stück erwischte Duven böse am Kopf, als er den San abschirmte.
Menschen stolperten schreiend durch die Staubwolken und versuchten, sich vor den herabstürzenden Steinen in Sicherheit zu bringen. Priester, Mädchen und Novizen verschwanden mit schrecklicher Endgültigkeit, als sich unter ihnen der Boden öffnete.
Sie wurden verschluckt wie ein Lopy von einem Leem.
Das knirschende Beben des Gebäudes hörte jäh auf.
Dichter Staub erfüllte die Luft, wir husteten, und die Augen tränten uns. Ich schüttelte den Kopf und half Lally auf die Beine, wobei ich hoffte, daß die unmittelbare Gefahr vorüber war. Es war nur ein Vorbeben gewesen. Möglicherweise würden vor dem großen Erdbeben noch einige dieser Art folgen, danach war dann mit den Nachbeben zu rechnen. Ich hoffte, daß dies eine bloße Warnung gewesen war und das große Erdbeben ausbleiben würde. Aber wer konnte das schon vorhersagen?
San Paynor stand auf. Duven sorgte dafür, daß der San im Vollbesitz seiner Sinne war. Dann begab sich der junge Priester zu der eben entstandenen Erdspalte und blickte in die Tiefe.
Ich trat zu ihm und starrte ebenfalls in die dichten Staubwolken hinunter.
»Die Leute dort unten sind auf dem Sims gefangen«, sagte Duven ausdruckslos.
Furchtbarerweise hatte er recht. Eine Gruppe von Cymbaro-Anhängern, die bis jetzt Glück gehabt hatten, standen dicht zusammengedrängt auf einem schmalen Sims und hielten sich umklammert. Hinter ihrem Rücken befand sich eine Wand aus Fels und Erde. Vor ihnen fiel der Rand des Simses in eine schwarze Leere hinab, die kein Ende zu nehmen schien.
»Das da unten sieht aus wie der Eingang zu den Eisgletschern von Sicce«, bemerkte ich wenig hilfreich.
Duven gab keine Erwiderung.
Die steile Wand bot wenig Halt. Selbst wenn wir heil unten angekommen wären, hätten wir die verängstigten Leute nie dazu bringen können, diese senkrechte Fläche hochzuklettern.
Die ganze Situation wurde von tödlicher Gefahr bestimmt. Viele der an den Decken befestigten Lampen waren heruntergefallen, aber es gab ausreichend Licht – das Licht brennender Vorhänge und Möbel. Das Furchtbare der ganzen Situation, das Gefühl, sich in der Tiefe der Erde zu befinden, der Druck der Gesteinsmassen, die flackernden, unheimlichen Lichter, die Schatten – das alles drohte uns zu überwältigen. Wir konnten da unten nur lebendig begraben werden.
Und der nächste Erdstoß mochte jeden Augenblick einsetzen.
Dann würden die auf dem unsicheren Sims in der Falle sitzenden Menschen in die Ewigkeit gestoßen werden.
Duven riß sich das Gewand vom Körper; jetzt war er nur noch mit einem braunen Lendenschurz bekleidet. Er spannte die Muskeln an. Dann stieg er über den Rand der Spalte.
»Cymbaro der Gerechte ist mit mir, Drajak. Schaff ein Seil herbei.«
12
In dieser Situation spielte das Protokoll keine Rolle mehr. Duven hatte die Initiative ergriffen. Ich mußte sofort handeln.
Ich lief zurück und schüttelte Logan. Er stand mit leerem Blick da und zitterte in der Erwartung des nächsten Erdstoßes.
»Ein Seil!«
Er blickte mich an, aber er sah mich nicht.
Die Wandteppiche in diesen fensterlosen Korridoren standen alle in Flammen.
»Der Speisenaufzug aus der Küche, Drajak«, sagte San Paynor in seinem standhaften, leisen Tonfall.
Ich verstand sofort, was er meinte, und stürmte zu der unbeschädigten Wand, auf die er zeigte. Dort befand sich
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