46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
war den Franzosen das Entkommen unmöglich.
Unterdessen hatten die weißen Jäger die Reihen der Franzosen mit ihren sicher treffenden Büchsen gelichtet. Ein jeder ihrer Schüsse kostete einen Mann. Als ‚Bärenherz‘ das zweite Viereck erreichte, war es bereits so dezimiert, daß er sein Pferd gar nicht zum Sprung ausholen ließ, sondern geraden Laufes in den Feind hineinstürmte, so daß die erschrockenen Franzosen auseinanderstoben.
Die Apachen waren durch das Erscheinen ihres vor so langen Jahren verschwundenen Häuptlings förmlich elektrisiert worden. Sie sahen nicht die Waffen des Feindes, sie achteten nicht auf den Widerstand, der ihnen entgegengesetzt wurde. Sie mußten das Wiedererscheinen des großen Häuptlings durch einen vollständigen Sieg und durch die Eroberung aller Skalpe feiern. Darum war ihr erneuter Angriff geradezu unwiderstehlich.
Die Franzosen wurden wie Halme niedergemäht. Welche von ihnen die Flucht versuchten, wurden sicher von den ihnen nachjagenden roten Reitern erreicht und niedergehauen. Es war vorauszusehen, daß kein einziger entkommen werde.
Kein einziger? Das war denn doch noch die Frage.
Vorhin, als die Franzosen im Halbkreis heranrückten, hatten ihre beiden Flügelpunkte sowohl ober-, als auch unterhalb des Forts das Ufer des Flusses berührt.
Oberhalb gab es eine Strömung, und da hier der unterwaschene Felsen steil emporstieg, so war es schwer, wenn nicht unmöglich, von hier aus das Fort zu überrumpeln.
Unterhalb aber gab es ruhiges Wasser, und große Fels- und Steinbrocken lagen in demselben. Schwamm oder watete man von dem einen zum anderen, so fand man genug Deckung, um nicht sofort bemerkt zu werden. Überdies war die Böschung des Felsens, auf welchem das Fort stand, nicht so steil wie auf der anderen Seite. Sie konnte ohne große Anstrengung erstiegen werden.
An dem Ende des rechten Flügels, welcher hier das Wasser erreichte, stand ein Sergeant, der gern ein wenig den Offizier gespielt hätte. Er befand sich später an der Stelle, welche Gerard so wacker verteidigte, und als die Apachen ihren Angriff machten, ahnte ihm, was da kommen könne.
„Kommt, folgt mir!“ gebot er seinen Leuten. „Wir werden umzingelt und niedergemacht, aber ich weiß ein Mittel dagegen.“
„Welches?“ fragte einer, indem er sich den Schweiß von der Stirn wischte.
„Jetzt kommt dem Feind Hilfe; er wird also einen Ausfall machen. Unterdessen dringen wir von der Wasserseite an das Fort und öffnen das Tor.“
„Bei Gott, das ist wahr. Wir folgen dir.“
Es waren etwa zehn oder elf Mann, welche mit ihm sich rechts hin nach dem Fluß zogen, ohne von jemand bemerkt zu werden. Sie stiegen in das Wasser, welches hier nicht allzu tief war, und gelangten von Stein zu Stein an die Böschung der Wasserseite des Forts.
Diese war von Bäumen und Sträuchern besetzt. Droben stand der Mann, welchen Sternau als Wache herbeordert hatte. Er war leider mit keinem großen Scharfsinn begabt. Anstatt sich hinunter an das Ufer zu stellen, wo er alles, selbst das geringste hätte bemerken müssen, war er oben stehen geblieben, wo ihm die Bäume die Aussicht beraubten. Darum hatte er den Sergeanten nicht gesehen.
Dieser kroch mit seinen Leuten an der Böschung empor. Fast bei den obersten Bäumen angekommen, blieb einer seiner Leute stehen, zeigte nach vorwärts und flüsterte:
„Halt! Seht!“
„Was?“
„Ein Mann!“
„Wo?“
„Dort hinter der Glanzeiche.“
Das Auge des Sergeanten folgte der angedeuteten Richtung.
„Wahrhaftig!“ sagte er. „Er hat ein Gewehr; er ist jedenfalls ein Wachposten.“
„Soll ich ihn niederschießen?“ fragte einer.
„Nein. Wir müssen alles Geräusch vermeiden. Der Schuß würde andere aufmerksam machen. Ich werde ihn erstechen.“
Er pirschte sich leise und vorsichtig von Baum zu Baum, bis er nur noch wenige Schritte vor dem Mann stand. Da zog er sein Seitengewehr und holte aus. Ein Sprung, ein Stich, ein Schrei – und der Posten war eine Leiche.
„Jetzt wieder vorwärts!“ gebot der Sergeant seinen Leuten.
Sie kamen herbei und erreichten bald die Palisaden. Der Sergeant maß die Höhe derselben mit seinem Blick und sagte dann:
„Hier können wir nicht hinüber. Es ist unmöglich. Gehen wir weiter.“
Sie schritten längs der Palisaden hin und gelangten fast an die Ostseite des Forts, ehe sie eine Lücke fanden, welche zum Passieren der Verteidiger offen gelassen worden war. Hier war vorher auch der Erstochene
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