46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
ein wüstes Schreien, Rufen und Jauchzen, welches jetzt durch die Räume der Hacienda erschallte, und das vermehrte seine Bestürzung.
„Antwortet!“ gebot Josefa.
Und als er nicht sofort gehorchte, spannte sie den Hahn ihrer Pistole.
„O, Señor, redet, gebt Antwort! Ihr werdet sonst erschossen!“ bat Marie Hermoyes.
„Ja, wenn Ihr beide mir nicht unbedingt gehorcht, werdet Ihr ohne Barmherzigkeit erschossen“, drohte Josefa, welche sich in der Rolle eines Räuberhauptmannes ganz behaglich fühlte. „Also, was habt Ihr gehört?“
„Daß Señor Cortejo Präsident werden will“, antwortete Arbellez.
„Präsident? Pah! König will er werden! Ganz Mexiko soll ihm und mir gehören! Diese Hacienda wird von uns zuerst besetzt, denn sie ist unser Eigentum.“
„Sie ist das meinige!“
„Ihr lügt!“
„Ich habe sie gekauft!“
„Beweist es!“
„Ich habe es bereits bewiesen, ich besitze das Dokument des Kaufes.“
„Dieses Dokument ist gefälscht. Ihr habt die Hacienda nicht gekauft, Ihr habt sie vielmehr geschenkt erhalten, und die Kaufakten sind nur zum Schein ausgestellt worden.“
„Selbst wenn Ihr das richtige erraten hättet, wäre die Hacienda mein Eigentum. Und selbst wenn mein Recht ein nichtiges wäre, fiele die Hacienda an den Grafen Rodriganda zurück, aber nicht an Euch.“
„Pah! Was dem Grafen gehört, gehört auch uns! Ihr versteht das freilich nicht!“
„O, ich verstehe und begreife das schon!“ sagte er.
Der Zorn hatte ihn erfaßt, da begann er mutiger zu werden.
„Ihr begreift es? Wirklich?“ höhnte sie. „Wie unendlich klug von Euch.“
„Ja, ich begreife es“, antwortete er. „Ich kenne Eure ganze Schlechtigkeit, ich durchschaue den ganzen, ungeheuren Schwindel.“
„So seid doch so gut, es uns mitzuteilen“, lachte sie boshaft.
„Der untergeschobene Graf Alfonzo ist ein Cortejo, darum glaubt Ihr, was den Rodrigandas gehört, gehöre auch Euch. Oder wollt Ihr leugnen?“
„Leugnen? Euch gegenüber? Ihr seid nicht von Sinnen. Was ein Verrückter sagt, braucht weder bestätigt, noch geleugnet zu werden. Also Ihr habt die Hacienda wirklich gekauft, mein teurer Señor Arbellez?“
„Ja.“
„Ihr habt ein Dokument darüber?“
„Ja.“
„Wo?“
„Es ist gut aufgehoben.“
„Ich frage, wo!“
„Das ist lediglich meine Sache, nicht die Eurige.“
„Ihr irrt Euch abermals. Ich bin gekommen, das Dokument von Euch zu fordern.“
„Ah, Ihr wollt das Dokument in Eure Gewalt bringen?“
„Ja“, lachte sie.
„Und mich dadurch um mein Eigentum betrügen?“
„Ja.“
„Das wird Euch nicht gelingen.“
„Ich werde Euch zwingen.“
„Versucht es.“
Da wurden ihre Eulenaugen größer, ihre Züge zeigten einen unaussprechlichen Haß. Sie sagte:
„Bringt mich nicht in Zorn, Alter! Eure Strafe würde fürchterlich sein. Ich verlange das Dokument. Wo habt Ihr es?“
„Ich wiederhole, daß Ihr es nicht erhaltet.“
„Ich werde es suchen.“
„Ihr werdet es nicht finden.“
„Ich stürze das ganze Haus danach um.“
„Es befindet sich nicht im Hause. Euer Suchen wird vergeblich sein.“
Da sprang sie vom Stuhl auf, ballte die Faust und zischte ihm entgegen:
„Ah, Ihr habt es nicht hier auf der Hacienda?“
„Nein.“
„Wo sonst?“
„Es liegt mit meinem Testament in sicheren Händen. Bemüht Euch nicht.“
Ihr Zorn wuchs, ihre Augen sprühten Blitze.
„Ein Testament habt Ihr gemacht? Ah, ist das wahr?“
„Ja“, antwortete er.
„Und Ihr habt einen Erben eingesetzt?“
„Ja.“
„Dem die Hacienda gehören soll?“
„Die Hacienda und alles, was dazu gehört.“
„Wer ist es?“
„Testamentsgeheimnisse pflegt man nicht auszuplaudern, Señorita.“
Da stampfte sie mit dem Fuß auf und rief:
„Ich befehle Euch aber, es zu sagen.“
„Ihr habt mir nichts zu befehlen.“
„Das wird sich finden. Wenn Ihr mir nicht freiwillig antwortet, werde ich Euch zum Reden zu zwingen wissen.“
Seine ganze Energie war erwacht. Er antwortete verächtlich:
„Ihr seid nicht die Person, welche mich zu etwas zwingen könnte.“
„Nicht? Ah, Ihr glaubt wohl gar nicht, daß sich die Hacienda in unserer Gewalt befindet?“
„Ich glaube es. Ich muß es ja glauben, denn ich höre das Freudengeheul Eurer Bande, welche bereits zu plündern beginnt.“
„Hört Ihr es? Hört Ihr es wirklich? Ja, unsere Burschen sind nicht faul. Alles, alles was sie finden, gehört ihnen, nur Pedro Arbellez und Maria Hermoyes sind unser
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