46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
haben Sie denn nicht Anstalten getroffen, Repressalien anzuwenden, oder diesen schauderhaften Mord in der gehörigen Weise zu rächen?“
„Ich habe mein möglichstes getan. Die jetzt von neuem nach dem Fort detachierten Truppen haben den Befehl, jeden Apachen, den sie treffen, ohne Gnade und Barmherzigkeit niederzuschießen. Außerdem habe ich mich einer Anzahl von Einwohnern dieser Stadt bemächtigt, von denen ich sicher weiß, daß sie republikanisch gesinnt sind.“
„Diese Leute sind Ihre Gefangenen?“
„Ja, meine Maßregel hat hier viel Sturm erregt.“
„Das darf einen braven Soldaten nicht kümmern. Was werden Sie mit ihnen tun?“
„Was kann ich tun? Man sollte diese Verräter über die Klinge springen lassen, dann wäre man sie ein für allemal los.“
„Warum tun Sie das nicht?“
„Aus zweierlei Gründen. Die Hinrichtung von beiläufig dreißig bis vierzig Personen würde hier geradezu einen Aufruhr hervorbringen, dem gegenüber ich mich jetzt zu schwach fühle. Ich sagte Ihnen bereits, daß ich hier weniger Truppen besitze.“
„Ich stelle Ihnen die meinigen zur Verfügung.“
„Das würde nur eine augenblickliche Unterstützung sein. Sie marschieren ja weiter.“
„Oh, meine Vollmacht verbietet mir nicht, so lange hier zu bleiben, bis die Ruhe wiederhergestellt, oder Ihr Detachement zurückgekehrt wäre.“
„Das würde mir allerdings eine höchst willkommene Hilfe sein. Aber mein zweiter Grund bezieht sich auf die Ungewißheit, in welcher ich mich in diesem Falle befinde. Ich weiß nicht, ob ich über Leben und Tod so vieler frei verfügen kann. Ich stehe da vor einer Verantwortung, welche ich vielleicht nicht zu tragen vermag.“
„Was das betrifft, so kann ich Sie von allen Sorgen befreien. Sie haben nicht nur das Recht, sondern auch die strenge Verpflichtung, jeden Republikaner auf der Stelle füsilieren zu lassen.“
„Ich weiß davon gar nichts.“
„Ich habe den Auftrag, es Ihnen mitzuteilen.“
„Ah! Erstreckt sich diese Mitteilung vielleicht auf die Überbringung einer schriftlichen Bevollmächtigung, Herr Kamerad?“
„Ja. Haben Sie nichts von dem Dekret vom dritten Oktober gehört?“
„Nein, kein Wort.“
„Nun, Kaiser Max hat in diesem Dekret befohlen, jeden Republikaner, gleichviel, ob derselbe General oder Bettler sei, einfach als Banditen zu betrachten und als solchen zu behandeln, das heißt, ihn auf der Stelle strangulieren oder überhaupt töten zu lassen.“
„Liegt da nicht vielleicht ein Irrtum vor, Herr Kamerad? Vom dritten Oktober bis jetzt ist eine lange Zeit. Das Dekret müßte längst in meinen Händen sein.“
„Sie irren. Bedenken Sie die Entfernung zwischen der Hauptstadt und hier, bedenken Sie ferner die Unzulänglichkeit der Verbindung in diesem Land und die Unsicherheit der Wege. Ich bin beauftragt, Ihnen eine Abschrift des Dekrets nebst einer vom Generalkommando ausgefertigten Ausführungsverordnung zu überbringen. Diese beiden Dokumente werden bezüglich der Pflichten, welche Sie zu erfüllen haben, jeden Zweifel beseitigen. Gestatten Sie, Ihnen dieselben zu überreichen!“
Er zog aus der Tasche seines Uniformrockes ein großes, mehrfach versiegeltes Kuvert, welches er dem Kommandanten überreichte. Dieser nahm es entgegen und sagte:
„Diese Angelegenheit ist mir so wichtig, daß ich um Entschuldigung bitte, wenn ich sofort und in Ihrer Gegenwart zur Lektüre schreite.“
„Lesen Sie immerhin, Herr Kamerad.“
Der Kommandant öffnete und las es. Sein Gesicht nahm einen ernsten und entschlossenen Ausdruck an. Dann, als er die Dokumente zusammenfaltete, sagte er:
„Jetzt kann allerdings kein Zweifel mehr herrschen. Ich fühle mich sehr erleichtert.“
„Was werden Sie also tun?“
„Meine Pflicht“, antwortete der Gefragte kurz.
„Und diese lautet?“
„Ich werde die Gefangenen erschießen lassen.“
„Wann?“
„Hm! Bin ich Ihrer Hilfe wirklich sicher? Darf ich auf Sie bestimmt rechnen?“
„Vollständig. Ich bleibe hier, bis Sie unser nicht mehr bedürfen.“
„Sie meinen, daß das Urteil so bald als möglich zu vollstrecken sei?“
„Ja. Sie kennen mich vielleicht oder haben doch von mir gehört. Von mir hat noch kein Mexikaner Pardon erhalten. Ich hasse diese Nation zwar nicht, aber ich verachte sie. Sie ist nicht wert, zu existieren. Sie tun mir wirklich den größten Gefallen, wenn Sie mich Zeuge von der Hinrichtung dieser Menschen sein lassen.“
„Diesen Genuß kann ich Ihnen
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