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46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

Titel: 46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jeden gebildeten Mann gebührende Rücksicht zu verschaffen.“
    Der Kommandant mochte einen ernsten Auftritt befürchten und sagte daher:
    „Das genügt jedenfalls. Der Herr Doktor hat erklärt, daß er den Herrn Obersten Laramel nicht beleidigen wollte, und den Herrn Obersten ersuche ich freundlichst, den Herrn Doktor aussprechen zu lassen. Somit ist alles gut. Bitte, fortzufahren.“
    Diese Worte waren an Sternau gerichtet, und da sie in einem freundlichen Ton gesprochen waren, so verbeugte sich dieser höflich und fuhr fort:
    „Ich sagte also, daß ich Benito Juarez kennenlernte. Es geschah dies während einer kleinen Exkursion, welche er von Paso del Norte aus unternahm. Ich glaube nicht, ein politisches Verbrechen zu begehen, wenn ich gestehe, daß ich ein lebhaftes Interesse für diesen Mann empfand, und ich hatte das Glück, diese Teilnahme in freundlichster Weise von ihm erwidert zu sehen.“
    „Wollen Sie damit sagen, daß Sie ein Freund von Juarez sind?“
    Diese Frage sprach der Kommandant in einem sehr ernsthaften Ton aus.
    „Ja, dies und nichts anderes will ich sagen“, antwortete Sternau furchtlos.
    Da runzelte der Kommandant die Stirn.
    „Sie scheinen eine große Aufrichtigkeit zu besitzen“, sagte er.
    „Ich bin gewöhnt, Aufrichtigkeit als eine Tugend zu betrachten.“
    „Das ist sie auch; aber diese Tugend kann unter gewissen Verhältnissen verhängnisvoll werden, nämlich sobald sie zur Unvorsichtigkeit wird.“
    „Ich hoffe, bis jetzt noch nicht unvorsichtig geworden zu sein“, bemerkte Sternau unter einem gleichmütigen Lächeln.
    „O doch! Sie haben sich ja als ein Anhänger von Juarez legitimiert.“
    „Davon weiß ich nichts. Es ist sehr leicht möglich, der persönliche Freund eines anderen zu sein, ohne gerade dessen politischen Grundsätzen zu huldigen. Gehen wir also in friedlicher Weise über diesen Punkt hinweg. Ich wiederhole, daß ich das Glück hatte, Juarez kennenzulernen und mir sein Vertrauen zu erwerben. Meine Anwesenheit ist ein Beweis für diese Behauptung, denn ich komme als Abgesandter des Zapoteken zu Ihnen.“
    „Ah!“ rief da der Kommandant erstaunt. „Als sein Abgesandter?“
    „Ja.“
    „Vielleicht gar als sein Bevollmächtigter?“
    „Allerdings. Ich besitze die Vollmacht, mit Ihnen zu unterhandeln.“
    Da stieß Oberst Laramel ein höhnisches, verächtliches Lachen aus, doch ohne ein Wort zu sagen. Sternau beachtete es nicht, und der Kommandant meinte:
    „Ich schließe mich meinem Kameraden an, der durch sein Gelächter beweist, daß er Ihre Worte nicht mehr als sonderbar findet. Glauben Sie wirklich, das Juarez der Mann ist, mit dem ein Franzose unterhandeln würde?“
    „Das glaube ich allerdings“, antwortete Sternau ruhig.
    „Dann machen Sie sich allerdings eines riesigen Irrtums schuldig. Es kann niemals einer Behörde einfallen, mit einem Majestätsverbrecher und Landesverräter zu unterhandeln. Das weiß ein jeder leidlich gebildeter Mann.“
    „Ich schließe mich dieser Ansicht gern an, möchte aber doch fragen, ob Sie unter diesem Majestätsverbrecher und Landesverräter Juarez verstehen.“
    „Natürlich“, antwortete der Kommandant erstaunt.
    „Aus welchem Grund?“
    „Er konspiriert gegen uns, er leistet uns bewaffneten Widerstand.“
    „Eigentümlich“, meinte Sternau mit leisem Kopfschütteln. „Juarez hat ganz dieselbe Meinung von Ihnen.“
    „Ah!“ rief es ringsum aus aller Munde.
    „Ja“, antwortete Sternau unerschrocken. „Juarez behauptet, noch Präsident zu sein. Er wurde von Mexiko an diesen Posten berufen und nicht wieder abberufen. Er behauptet, daß die Franzosen gegen ihn konspirieren und ihm bewaffneten Widerstand leisten. Er behauptet, daß ein Majestätsverbrecher doch immerhin ein politischer, nicht aber ein ehrloser Verbrecher sei, daß aber die Franzosen gewaltsam in Mexiko eingedrungen seien, wie es zum Beispiel Einbrecher in einem nicht hinreichend bewachten Haus tun würden.“
    Da sprang Oberst Laramel auf, legte die Hand an den Degen und rief zornig dem Kommandanten zu:
    „Herr Kamerad, wollen Sie sich diese Beleidigung gefallen lassen?“
    Auch der Kommandant stand von seinem Sitz auf.
    „Allerdings nicht“, antwortete er. Und zu Sternau gewendet, fuhr er fort: „Sie haben uns mit Ihren Worten als gemeine Einbrecher bezeichnet?“
    „Das fällt mir nicht ein“, entgegnete der Gefragte. „Sie bezeichneten Juarez mit einem Namen, den er ganz entschieden zurückweist, und ich gestattete mir

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