46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
nennen?“
„Doktor Sternau.“
Er sah keinen Grund, hier seinen guten Namen zu verheimlichen.
„Sehr wohl! Folgen Sie mir!“
Droben saßen die Herren bei einer Ananasbowle und trieben Politik nach Art der Franzosen, leicht und lustig, bauten Kartenhausschlösser, welche keinen Wert haben. Da trat der Unteroffizier ein und meldete:
„Draußen ist ein Herr, welcher den Herrn Kommandanten sprechen will.“
„So spät!“ sagte der erwähnte unwillig.
„Ich erlaubte mir, dies ebenso zu bemerken.“
„Was meinte da der Mann?“
„Er fuhr mich an wie ein Hund die Katze.“
„Ah! Wer ist es!“
„Er nannte sich Doktor Sternau.“
„Ein deutscher Name. Es wird der Feldscher oder Chirurg eines der belgischen oder kaiserlichen Bataillone sein. Höchst unangenehm und langweilig; aber wir wollen ihm den Zutritt gestatten. Er mag hereinkommen.“
„Eintreten!“ schnarrte der Unteroffizier, das Zimmer verlassend.
Aller Augen richteten sich nach der Tür. Anstatt des erwarteten, untertänigen Pflastermannes trat eine hohe, herkulisch gebaute Figur ein, welche in der reichsten mexikanischen Weise gekleidet war. Sternau sah wirklich gebieterisch aus. Sein Bart machte ihn ganz und gar nicht älter; er erteilte ihm etwas Unnahbares, keine gemeine Berührung duldendes.
„Guten Abend, meine Herren“, grüßte er, sich verbeugend.
Von dem Eindruck seiner Persönlichkeit ergriffen, erhoben sich die Offiziere und erwiderten seinen Gruß.
„Ich bin an den Herrn Kommandanten von Chihuahua adressiert.“
„Der bin ich“, sagte der Genannte. „Wollen Sie Platz nehmen? Vorher jedoch erlaube ich mir, Ihnen die Namen dieser Herren zu nennen.“
Sternau nickte bei jedem Namen leicht und vornehm mit dem Kopf; als aber Oberst Laramel genannt wurde, nahm er die Physiognomie und das Äußere genau in Augenschein. Dann setzte er sich nieder.
„Was verschafft mir die unerwartete Ehre, den Herrn Doktor bei mir zu sehen?“ fragte der Kommandant.
„Ein ganz eigentümlicher Zufall, welcher mir ebenso unerwartet gekommen ist, wie Ihnen heute meine Gegenwart, Herr Kommandant“, antwortete Sternau. „Zunächst die Bemerkung, daß ich ein Deutscher bin.“
Der Offizier nickte kalt mit dem Kopf.
„Ich erriet dies aus dem Klang Ihres Namens“, sagte er.
„Ich befand mich aus Gründen, welche den Gegenstand nicht berühren und also nicht hierher gehören, längere Zeit in der Südsee. Ich hatte Veranlassung familiärer Art, von da nach Mexiko zu gehen und schlug die Route ein, welche sich gegen die Grenze von Neumexiko neigt.“
„Eh bien!“ sagte der Franzose, neugierig werdend.
„Während eines Rasttages hatte ich das unerwartete Vergnügen, einen Mann kennenzulernen, dessen Name mit der Geschichte von Mexiko sehr innig verbunden ist. Die Herren erraten vielleicht, wen ich meine?“
„Donnerwetter, jedenfalls Juarez!“ rief Oberst Laramel aufspringend. „Habe ich richtig geraten?“
„Ja, Herr Oberst.“
„Famos! Endlich, endlich hört man etwas Genaues. Wo steckt er?“
„Ich bitte zunächst um die Erlaubnis, in meiner Einleitung fortfahren zu dürfen“, sagte Sternau im höflichsten Ton.
„Das hat Zeit. Beantworten Sie mir zunächst eine Frage. Das ist die Hauptsache.“
Diese Worte wurden in einer rücksichtslosen, fast groben Weise gesprochen, daß Sternau ihnen gar keine Beachtung schenkte. Er fuhr also fort:
„Ja, Juarez war es, den ich kennenlernte, und zwar während –“
„Ich habe Sie gefragt, wo sich Juarez befindet!“ rief, ihn unterbrechend, der Oberst Laramel in gebieterischem Ton.
Da drehte sich Sternau lächelnd zu ihm herum; aber in diesem Lächeln lag alles ausgedrückt, was einen Laramel beleidigen konnte. Er sagte:
„Herr Oberst, Sie befinden sich nicht vor der Front einer Strafkompanie, sondern Sie sitzen vor einem Mann, welcher gewohnt ist, zu sprechen, wie es ihm beliebt. Ich liebe nicht, unterbrochen zu werden; geschieht dies dennoch, so erfordert die Sitte, daß es in höflicher Weise geschehe. Finde ich diese Höflichkeit nicht, welche doch bereits unter den gewöhnlichsten Straßenkehrern anzutreffen ist, so habe ich festzuhalten, daß ich nur kam, um mit dem Herrn Kommandanten zu sprechen.“
Das war eine Zurechtweisung, wie sie dem Obersten wohl noch nie geworden war. Er erhob sich und griff an seinen Degen.
„Monsieur, wollen Sie mich beleidigen?“ rief er.
„Keineswegs“, antwortete Sternau ruhig. „Ich habe nur die Absicht gehabt, mir die einem
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