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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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ging hinüber zu Oishi und blieb neben ihm stehen. Er hielt noch immer die Schüssel mit Reis in den Händen und sah der Reihe nach Hazama und jedes einzelne Gesicht im Kreis der Ronin an.
    Yasuno starrte zurück, als sei allein Kais Anwesenheit auf demselben Fleck Erde, auf dem sie alle standen, eine abgrundtiefe Beleidigung. Kai schaufelte eine weitere Handvoll Reis aus der Schüssel in seinen Mund und erwiderte Yasunos Blick ausdruckslos.
    »Der Rest von uns wird nach Uetsu gehen«, sagte Oishi, der offensichtlich vollkommen unbeeindruckt blieb von Kais Anwesenheit und der Tatsache, dass alle ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatten. »Die besten Schwertmacher des Landes arbeiten dort ...«
    »Warum ist das Halbblut hier?«, verlangte Yasuno zu wissen. Ein Jahr war vergangen, seit er nicht mehr die Immunität genoss, die den Untergebenen eines
daimyō
zugestanden wurde, und er war noch immer nicht in der Lage, seine Zunge im Zaum zu halten. Seine Hand wanderte zu seinem
katana
. Die Spannung unter den Umstehenden war plötzlich so greifbar, dass er sie mit seinem Schwert hätte zerschneiden können.
    Kai starrte ihn weiter an und kaute seinen Reis.
    Oishi warf Kai einen Blick zu, und ein Satz aus Musashis
Buch der Fünf Ringe
blitzte in seinen Gedanken auf:
»Lass andere nie dein wahren Absichten durchschauen.«
Seine Miene versteinerte, als ihm einfiel, wie das Halbblut ihn während ihrer Auseinandersetzung nach der Flucht von Dejima angeschaut hatte. Plötzlich wurde Oishi klar, dass der scheinbare Mangel an Gefühlen in Kais Gesichtsausdruck etwas viel Gefährlicheres war.
    Bevor Yasuno sich um Kopf und Kragen redete und getötet wurde, warf er ihm einen leicht tadelnden Blick zu und erklärte: »Ich habe ihn gebeten, zu kommen.«
    »Wir können ihn nicht mitnehmen!«, sagte Yasuno verärgert. »Er ist kein Samurai ...«
    »Wir alle sind keine Samurai mehr!«, brüllte Oishi ihnen die Wahrheit entgegen, die das Halbblut ihn gezwungen hatte, zu erkennen.
    Yasuno schäumte vor Wut. Doch die Abscheu, die in den Augen seines Kommandanten schwelte, brachte ihn schließlich zum Schweigen. Seine Hand ließ das Schwert los. Die anderen um ihn herum wendeten sich gleichermaßen betreten ab.
    Kai warf Oishi einen Blick zu. Sein Gesichtsausdruck war ebenso undurchschaubar wie seine Reaktion – so undurchdringlich wie das Durcheinander der Gefühle, die er im Geiste noch immer versuchte, zu entwirren oder auch nur zu benennen. Er schaute wieder weg und aß weiter.

14
    Mika kniete vor den niedrigen Tischen, die man vor sie gestellt hatte, und starrte ihr Abendessen an. Dieses Mahl war der Tochter eines
daimyō
wahrhaft würdig. Das traditionelle Herzstück jedes Essens – Reis in einer eleganten Lackschale – war umgeben von Gerichten mit gesalzenem Gemüse, sauer eingelegten Pflaumen und Schälchen mit Gewürzen: Wasabi, Sojasoße und weiteren Gewürzen der Region. Sie hatte sich nie die Mühe gemacht, ihre Namen zu erfragen. Auf der einen Seite waren aus frisch gefangenem Fisch der Bergströme zubereitete Sashimi und dünn geschnittenes, gebratenes Reh auf Teller drapiert, auf der anderen Seite stand eine
raku
-Teekanne, aus der man bereits dampfenden Tee in ein Schälchen gegossen hatte.
    Sie starrte das Essen an. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß, und sie machte keine Anstalten, etwas davon anzurühren. Das wunderschön zubereitete Mahl ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen, doch ihr Magen drehte sich bei dem Gedanken um, in dieser Gesellschaft etwas zu essen.
    Es handelte sich nicht um Fürst Kira. Sie hatte ihn den ganzen Tag nicht gesehen. Sie nahm an, dass er ausnahmsweise etwas Wichtigeres zu tun hatte, als zum wiederholten Male schweigend vorzugeben, mit ihr in freundlicher Atmosphäre zu speisen. Wahrscheinlich handelte es sich um Hochzeitsvorbereitungen. Sie sah auf ihre Hände hinab. Eine Zeit lang hatte sie gedacht, dass allein die Aussicht, ihn wiedersehen zu müssen, sie so krank machen würde, dass sie nicht essen konnte. Gleichwohl wusste sie, dass sie essen musste, um stark zu bleiben, in der Hoffnung, dass sie eines Tages irgendwie die Chance bekommen würde ...
    Doch diese Chance würde niemals kommen, solange sie hier tief in den Bergen, die Kira so gut kannte, gefangen war. Sie hatte sich geschworen, dass sie überleben würde, um Ako wiederzusehen. Und dann, eines Tages, würde sie es sich zurückholen ...
    »Ihr müsst essen, Madame Mika.«
    Mika schaute auf und blickte ihre

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