47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
am anderen Ende der Stadt, die bereits geplündert und angezündet worden waren.
Kai drängte sich langsam vor, da der Soldat, der die Plünderungen offenbar leitete, ihnen plötzlich mit gezücktem Schwert entgegentrat.
»Wer seid ihr?«, fragte er Oishi, und seine Augen verengten sich, als er die Männer sah, die ihn begleiteten. Seine eigenen Männer scharten sich um ihn und zogen ebenfalls ihre Schwerter. Er fügte hinzu: »Ihr habt euch wohl verlaufen.« Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, das keineswegs belustigt schien.
Oishi verbeugte sich wie ein bescheidener Bauer. »Wir sind Bauern aus Shimobe, Herr. Wir sind gekommen, um Werkzeuge zu kaufen.« Shimobe lag kurz hinter der Grenze in den Ländereien eines anderen Fürsten. Diese Geschichte implizierte, dass sie nicht nur die Erlaubnis hatten, diese Reise zu machen, sondern dass sie möglicherweise nichts über die Vorgänge hier wussten. Sein Gesicht zeigte reine, unschuldige Verwirrung, doch Kai sah seine Augen, und darin lag zu viel Wachsamkeit, um seinen Gesichtsausdruck glaubhaft zu unterstreichen.
Kai machte seine eigene Bestandsaufnahme, während Kiras Soldaten sich um die Gruppe verteilten. Er merkte sich, wo sie standen und berechnete, wie lange er brauchen würde, um sie zu erreichen.
Zum Glück waren es nur vier
. Doch sie waren gut bewaffnet und misstrauisch. Er beobachtete, wie sie das Erscheinungsbild der Männer um ihn herum in sich aufnahmen und die Gruppe angeblich bescheidener Bauern musterten. Ihnen fiel das nur halb nachgewachsene Haar der Ronin auf und ihre Kleidung, die zwar schäbig, aber ungewöhnlich aufwändig für eine Gruppe Bauern war.
»Das ist hier ist Fürst Kiras Stadt«, sagte der Anführer der Soldaten und blieb bei Chikara stehen. Er musterte ihn von Kopf bis Fuß und packte plötzlich seinen Arm. Dabei wurde das Schwert sichtbar, das Chikara versucht hatte, zu verbergen. Die Miene des Soldaten verhärtete sich, und er erhob sein Schwert.
Kai sprang nach vorne, verdrehte sein Handgelenk, bis es brach, riss ihm dabei das Schwert aus der Hand und stieß es durch ihn hindurch. Bevor jemand verstanden hatte, was geschah, hatte er die Soldaten zwei und drei ebenfalls niedergemäht. Die Ronin um ihn herum starrten ihn mit offenem Mund an, als ob sie gerade gesehen hätten, wie drei Männer vom Blitz getroffen wurden.
Doch der vierte Mann Kiras stand auf der anderen Seite der versammelten Ronin und erfasste die Situation wesentlich schneller.
Noch bevor Kai ihn erreichen konnte, war er weg und rannte zu seinem Pferd. Er schwang sich in den Sattel, stieß dem Reittier die Fersen in die Flanken und stob durch eine Gasse zwischen zwei Gebäuden davon, bevor ihn jemand aufhalten konnte.
»Er entkommt!«, brüllte Chikara und zeigte in seine Richtung.
Kai entriss einem der toten Soldaten Pfeile und Bogen und rannte zum Eingang der Gasse. Der Reiter war noch immer in Sichtweite. Kai legte an und schoss. Der Mann stürzte kopfüber vom Pferd und lag bewegungslos da, während sein Pferd weiterrannte.
Mit einem erleichterten Seufzer kehrte Kai zu den anderen zurück. Keine unerwünschten Botschaften darüber, wer seine Männer angegriffen hatte, würden Kira oder seine Schergen erreichen ... zumindest nicht heute. Er beobachtete, wie die Ronin sich angesichts seiner Erleichterung ebenfalls entspannten, und reagierte instinktiv. Er beachtete ihr Starren nicht, schloss sich der Gruppe wieder an, kniete sich neben die nächste Leiche und begann, ihr die Rüstung auszuziehen. Die Waffen des toten Mannes legte er zusammen mit dem Bogen und einem Köcher voller Pfeile auf einen Haufen.
Schließlich schaute er hoch, da die anderen Männer ihn nur anstarrten. Auf ihren Gesichtern waren widersprüchliche Gefühle abzulesen. Sie blieben selbst dann bewegungslos, wie in einer Szene eingefrorene Kabuki-Schauspieler, als er ein Schwert hochhielt, damit jemand es an sich nahm.
»Was macht er da?«, fragte Yasuno Oishi. Seine Stimme war voller Empörung.
»Wir brauchen Rüstungen«, erklärte Kai, beachtete Yasunos Frage überhaupt nicht und sammelte weitere Stücke ein.
Oishi warf ihm einen Blick zu und nickte. »Er hat recht. Helft ihm.«
Auf der anderen Straßenseite kam Chikara aus dem Laden eines Schwertmachers und zog eine Grimasse. »Da ist nichts«, meldete er. Der erste Regentropfen aus einem bleischweren Himmel landete zu seinen Füßen und hinterließ einen Abdruck im Staub der Straße.
Danach begann es heftig zu regnen.
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