47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
ebenso gutmütig wie das Lächeln, das er ihnen als Antwort schenkte. Er nickte Oishi selbstbewusst zu und stand auf, während die anderen sich erneut über die Karte beugten und das imposante Berggebiet studierten.
Kai lehnte sich an den Felsvorsprung in der Nähe des Kochfeuers und streckte sich, um die Steifheit aus seinen Beinen und seinem Rücken zu vertreiben, die ihn nach dem langen Ritt plagte. Im Moment konnte er nicht viel gegen die Schmerzen durch die Verletzungen tun, die er von seinem langen Albtraum auf Dejima mitgebracht hatte, außer sich in Geduld zu üben. Er fragte sich, ob er jemals wieder ohne Schmerzen sein würde, oder ob seine Nervenenden und sein Geist so sehr gelitten hatten, dass es keine Hoffnung auf Heilung gab.
Zeit heilt alle Wunden
, hatte man ihm vor langer Zeit gesagt,
auf die ein oder andere Weise
.
Chikara hatte aufgehört, Reis auf die Schüsseln zu verteilen, und schaute ihn an. Kai sah, wie der Blick des Jungen zu den wunden Stellen an seinen Handgelenken wanderte. Die Handfesseln, die man ihm auf Dejima angelegt hatte, hatten tief in sein Fleisch geschnitten und offene Wunden hinterlassen, die noch immer entzündet waren. Kai wusste, dass er die Narben sein Leben lang tragen würde, auch, wenn er lange genug lebte, damit die Erinnerung an die schweren Eisenketten verblasste, die seine Fluchtversuche mehr als sinnlos gemacht hatten.
Erneut warf er Chikara einen Blick zu. Er sah das Mitgefühl des jungen Ronin, der sich in seine Schmerzen hineinversetzte, und die Angst in seinen Augen, in denen mehr Fragen standen, als der Junge je laut aussprechen konnte. Er erinnerte sich an das, was Oishi durchgemacht hatte und dass Chikara davon wusste.
Es war nicht nötig, dass Chikara auch noch seine Narben und Erinnerungen mit sich herumtrug. Der Vater des Jungen verlangte ihm bereits genug ab. Kai rang sich ein beruhigendes Lächeln ab und streckte wortlos seine Hand nach einer Schüssel Reis aus.
Chikara reichte ihm die warme Schüssel. Erleichtert lächelte er Kai an. Dann wandte er sich wieder dem Austeilen des Essens zu.
Kai stand auf, fischte mit seinen Fingern Reis aus der Schüssel und schob ihn sich in den Mund. Dabei überquerte er die kurze und doch so unendlich weite Entfernung zwischen dem Ort, an dem er gesessen hatte, und der Stelle, an der sich die anderen um die Karte geschart hatten.
Hazama betrachtete jetzt die Karte. Er blickte zu Oishi hoch, und sein Gesichtsausdruck zeigte Zweifel. »Auch, wenn wir die Route kennen, benötigen wir mehr Leute für einen Hinterhalt.«
»Dann werden wir sie beschaffen«, entschied Oishi. »Ihr, Chuzaemon und Okuda werdet so viele unserer früheren Samurai zusammenrufen, wie Ihr könnt. Dann treffen wir uns ... hier.« Er zeigte auf einen weiteren Punkt auf der Karte. »An dem Bauernhaus, das Horibe für uns gefunden hat.«
Bashō grinste. »Hat er auch die Bauerntochter verführt?«
Wieder erscholl Gelächter, doch Hazama sah immer noch nicht überzeugt aus. »Vergebt mir, Herr«, sagte er zu Oishi, »aber wir sind Ronin. Wer wird uns Waffen verkaufen?« Das
bakufu
verfolgte strengstens, wer aus unerfindlichen oder unerlaubten Gründen Waffen kaufte – insbesondere in größeren Mengen. »Ich bin bereit, mein Leben zu geben, doch wie können wir ohne gute Schwerter Erfolg haben?«
Oishi zögerte. Sein Blick flackerte merkwürdig, als hätte er Schmerzen. Dann zog er sein eigenes Schwert heraus und hielt es Hazama hin. »Nehmt meins«, erwiderte Oishi. »Wenn wir uns wiedersehen, werde ich noch weitere für Euch haben.«
Hazama starrte ihn einen Augenblick lang ungläubig an, als ob Oishi ihm gerade seine Seele angeboten hätte – was er gemäß dem Kodex, nach dem sie lebten, auch getan hatte. Hazama nahm das Schwert aus Oishis Händen und verbeugte sich. Als er sich aufrichtete, lagen Demut und Ehrfurcht auf seinem Gesicht. Erneut verbeugte er sich, diesmal noch tiefer.
Kai sah Oishis Familien-
mon
auf dem Griff des Schwertes und begriff, dass die Klinge, die dieser Hazama übergeben hatte, nicht einfach ein Stück Stahl war. Möglicherweise war dies das letzte Stück mit seinem Familienwappen, das Oishi besaß, der letzte Beweis dafür, wer und was er einst gewesen war.
Er hat gerade seine Seele mit allen Wurzeln herausgerissen und sie Hazama übergeben. Kein Wunder, dass in seinen Augen Schmerz stand
.
Zu Kais Überraschung empfand er Respekt vor Oishis Weisheit, Selbstlosigkeit und Entschlossenheit als Anführer. Er
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