47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Angriffs ehrenvoller sein können als eine sorgfältig geplante Rache, die ohne die Einmischung von Hexerei erfolgreich gewesen wäre? Das ergab keinen Sinn.
Wann hatte er angefangen, das zu glauben ...?
Kai hielt seinem Blick mit ruhiger Entschlossenheit stand. »Wir haben immer noch Schwerter und das Überraschungsmoment auf unserer Seite.« Er zögerte und schaute auf Fürst Asanos Dolch. Dann fügte er mit einem finsteren Glitzern in seine Augen hinzu: »Und Kira denkt, dass Ihr versagt habt.«
Oishi starrte ihn an.
»Eure Männer wären vergebens gestorben, wenn Ihr jetzt aufgebt«, erklärte Kai. Er hielt Oishis Blick noch eine ganze Weile stand, bevor er wieder aufstand und langsam zur Scheune zurückging.
Oishi sah ihm nach und bemerkte, dass das Halbblut noch immer seine zusammengeschusterte Rüstung trug. Es hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, sie auszuziehen, bevor es sich auf Bashōs Wunden konzentriert hatte.
Man konnte nicht erkennen, dass er kein Samurai war
.
Oishi schaute zum Himmel auf und dachte über die Dinge nach, die Kai zu ihm gesagt hatte. Der Schnee fiel langsam weiter, und dennoch hellte sich die Welt um ihn herum allmählich auf, als hätte jede Flocke Licht gefangen, und strahlte wie die Federn auf dem magischen Umhang eines
tennyo
.
Auf einmal fielen ihm die Worte des Konfuzius ein, dessen Lehren das
bushidō
so nachhaltig beeinflusst hatten:
»Es spielt keine Rolle, wie langsam du gehst, solange du nicht stehenbleibst.«
Steif stand er auf und spürte keine Kälte mehr, während er über diese Worte nachdachte und über die neuen Möglichkeiten, die sich ihnen eröffnet hatten, weil man sie für tot hielt. Er hielt sich die Tatsache vor Augen, dass ein neuer Tag anbrechen würde, ganz gleich wie lange dieser Bergwinter oder diese endlose Nacht anhielten – der Frühling würde wiederkommen, ob er ihn erlebte, oder nicht.
Er steckte Fürst Asanos
tantō
zurück in seine Scheide.
Ako und sein Fürst warteten auf seine Rückkehr
.
Mika erwachte aus einem Albtraum voller Flammen und Schmerzensschreie. Sie setzte sich mit hämmerndem Herzen in ihrem Bett auf und schnappte nach Luft, weil plötzliche Angst sie hellwach machte.
Am Fußende des Futons kauerte Kiras Hexe. Obwohl sie Menschenform angenommen hatte, war sie darauf bedacht, nicht wie ein Mensch zu wirken, sondern wie ein angriffsbereites Tier. In ihrer Hand hielt sie einen Dolch.
»Ich habe meinem Fürsten versprochen, dass ich Euch kein Haar krümmen werde.« In ihrer Stimme schwang etwas Unheilvolleres als nur Eifersucht mit – etwas, das bösartiger war als Hass. »Doch was Ihr Euch selbst antut, geht mich nichts an ...« Ein leichtes und beinahe unmenschliches Lächeln kräuselte ihre Lippen.
Sie glitt mit einer schlängelnden Bewegung seitlich an Mikas Bett entlang, die nichts mit einem Fuchs zu tun hatte, sondern vollkommen fremdartig wirkte. Ihre Roben schleiften auf dem Boden, als hätte sie keine Knochen, obwohl sie den Dolch noch immer fest in der Hand hielt.
»Ich bringe Euch traurige Neuigkeiten, Madame«, sagte sie und lächelte ihr tödliches, unmenschliches Lächeln. »Euer Halbblut ist tot.«
Mika starrte sie ungläubig an, doch ihr Körper begann hilflos zu zittern. Sie schaute in die ungleichen Augen der
kitsune
und sah dort nur pure Überzeugung. Sie spürte, wie die Sicherheit der Hexe alle Hoffnung aus ihr vertrieb, als hätte Mitsuke die Sonne erstickt. Der immergrüne Ort, den ihr Glaube so unerschütterlich die ganze Zeit verteidigt hatte, begann in ihr zu welken und abzusterben, als Kiras eiskalte Welt sie schließlich doch einholte.
Die Hexe beobachtete, wie Mikas Abwehr in sich zusammenbrach und wurde noch brutaler. »Genau wie Dutzende Männer Eures Vaters. Sie alle wurden bei dem Versuch getötet, Euch zu retten.«
Mika schüttelte den Kopf und versuchte, die Bilder des brennenden Todes abzuschütteln, die scheinbar direkt aus ihrem Traum kamen. Scheinbar war sie aus einem Albtraum aufgewacht, um gleich in den nächsten zu gelangen. Ihre Augen fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Egal was sie tat, die Bilder weigerten sich, zu verschwinden. Dann wurde ihr klar, dass der wirkliche Albtraum vor einem Jahr begonnen hatte und dass er jetzt nie mehr enden würde.
Die Hexe hob ihren Dolch hoch, und die Gier nach Tod ließ ihren Arm zittern. »Vielleicht versteht Ihr jetzt den Preis Eurer Liebe ...« Ihre Hand fiel wie ein Vogel, der sich auf seine Beute stürzte, aus der
Weitere Kostenlose Bücher