47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Luft herab und stieß den Dolch eine Handbreit neben Mika in den Boden.
Wilde Befriedigung ließ ihr Lächeln noch breiter werden. Sie drehte sich um und glitt davon. Ihren Kimono zog sie hinter sich her durch die Tür.
Mika lag mit angezogenen Knien auf der Seite und biss in das Bettlaken, das sie sich vor den Mund gepresst hatte, um nicht laut aufzuschreien oder sonst ein Geräusch von sich zu geben, das den Schmerz verriet, den sie gerade empfand.
All ihre wertvollsten Erinnerungen und sogar die Hoffnung – egal wie sinnlos diese gewesen sein mochte –, die ihr ermöglicht hatten, an ihrer Würde festzuhalten, waren ihr innerhalb eines Augenblicks entrissen worden, zusammen mit ihrer Stärke und ihrem Verstand. Alles war in Kiras ewigem Eisgefängnis eingesperrt worden, und sie würde nichts davon je wieder berühren können, und nichts davon würde sie je wieder wärmen und trösten können.
All ihre Gebete waren erhört worden – doch die Antworten lauteten
Nein
.
Sie starrte auf den
tantō
, der den Schein der Laterne neben ihrem Bett zurückwarf, und dachte an ihren Vater. Der gesamte Tränenvorrat, den sie während dieses endlosen Jahres seit seinem Tod zurückgehalten hatte, ergoss sich plötzlich über ihr Gesicht und tränkte die Matratze unter ihrer Wange. Sie streckte die Hand aus und streichelte den kalten, kurvenreichen Stahl des
tantō
. Mit ihrer Hand strich sie über seine feingeschliffene Klinge, bis sich plötzlich eine tiefe Schnittwunde in ihrer Handfläche zeigte, die wie die Feuer aus ihrem Albtraum brannte. Blut lief von ihrer Hand wie von den Körpern der Toten und durchnässte gemeinsam mit ihren Tränen den Futon.
Sie war eine Samurai, und wenn alle Hoffnung auf Sieg oder Ehre dahin war, wählte ein echter Samurai, gleich ob Mann oder Frau, den Tod zu seinen eigenen Bedingungen und überließ diese nicht dem Feind
.
Sie schloss die Hand um den Griff des Dolches und bemühte sich, ihn aus dem Boden zu ziehen. Doch das Blut auf ihrer Handfläche machte den Griff rutschig, und sie konnte ihn nicht packen. Mit einem frustrierten Geräusch drückte sie sich hoch und ergriff ihn mit beiden Händen.
Glitschig ... niederträchtig und heimtückisch, so grausam wie ihr Meister und so gnadenlos wie ein Raubtier
...
Mika hielt den Atem an. Das war Mitsuke –
die Hexe, die Gestaltwandlerin, die Betrügerin, die jeden zerstört hatte, den sie je geliebt hatte
.
Und ihr einen Dolch zurückgelassen hatte.
Was Ihr damit macht, ist Eure Sache
... Mika warf der geschlossenen Tür ihres Zimmers einen Blick zu.
Warum war die Hexe jetzt, heute Nacht, hierhergekommen, um ihr zu sagen, was geschehen war – vor der Hochzeit und nicht hinterher?
Sie erinnerte sich an die merkwürdige Emotion, die sie in den Augen der
kitsune
gesehen hatte, als diese sie das erste Mal angesehen hatte.
Wen wollte Mitsuke mit ihrer Rache wirklich zerstören? Was lauerte da tief in ihrem verdrehten Herzen, dessen sie sich selbst noch nicht bewusst war?
Mit einem entschlossenen Ruck zog Mika den
tantō
aus dem Boden. Sie stand auf, fand einen Schal und wickelte ihn um ihre blutige Hand. Sie wischte sich den Arm ab und danach den Dolch. Sie würde ihn so oder so noch brauchen, bevor der Neumond alt wurde ...
Blutrot ging die Sonne über den schneeweißen Feldern des verlassenen Bauernhofs auf und wies den Ronin, die bereits aufgestanden waren, sich um die Verwundeten kümmerten und ihre Ausrüstung aus der Scheune holten, gleißend rot den Weg.
Falls einer der Männer ein morbides Symbol in diesem Tagesanbruch sah, so ließ er sich nichts anmerken – am wenigsten Oishi. Er eilte zwischen Haus und Scheune hin und her, überwachte die Fortschritte und überprüfte den Zustand seiner Leute. Nach dem Moment qualvoller Selbstzweifel und -vorwürfe war er wieder ganz der Anführer.
Kai beobachtete ihn mit tiefer Erleichterung vom Feld aus, wo sie sich letzte Nacht unterhalten hatten. Seine paar Habseligkeiten waren bereits gepackt und auf seinem gesattelten Pferd verstaut. Er hatte längst alles in seiner Macht Stehende getan, um den Männern zu helfen, die sich um die Verletzten kümmerten. Obwohl er dabei ständig ihre Blicke auf sich gespürt hatte, hatte niemand seine Hilfe abgelehnt, und das war eigentlich noch nervenaufreibender gewesen.
Er war sich seines Platzes in ihrer Welt noch immer nicht sicher genug und ging ihnen deshalb lieber aus dem Weg. Also wanderte er durch die Felder, als er fertig war, damit er
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