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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Samurai.
    Die Ronin knieten in Reihen vor Oishi. Dieser wiederum kniete neben einem niedrigen Tisch, auf dem Fürst Asanos Helm und sein
tantō
, mit dem er
seppuku
begangen hatte, neben einer Schriftrolle lagen. Oishis Hand lag schützend auf dem Papier, auf dem ihr feierliches Versprechen stand, den unrechtmäßigen Tod ihres Fürsten zu rächen, damit keine zufällige Brise es davonwehte. Er hatte es bereits mit seinem Blut unterzeichnet.
    Kai kniete mit gesenktem Kopf abseits. Er hatte kein Recht, an dieser Zeremonie teilzunehmen, doch er konnte sich nicht mehr völlig von den anderen lösen, auch wenn das Gesetz verbot, dass er jemals Teil ihrer Tradition wurde, und die Tradition ihm verbot, offiziell ihren Schwur zu teilen. Er sah, wie die anderen kurz ihre Köpfe neigten, aus Respekt vor ihrem gefallenen Fürsten und den Männern, die nicht mehr bei ihnen sein konnten.
    Dann sah Oishi wieder hoch, schaute in die ernsten Gesichter der verbliebenen Ronin und sagte: »Keiner von uns weiß, wie lange er lebt. Oder wann seine Zeit kommen wird. Doch bald wird von unseren kurzen Leben nur noch der Stolz unserer Kinder bleiben, wenn sie unsere Namen aussprechen.«
    Seine Männer schauten ihn nachdenklich an, doch in ihre Augen war wieder Leben eingekehrt. Ihr Stolz auf das, was sie waren, wurde seit Jahrhunderten weitergegeben. Ihr Vermächtnis konnte ihnen so leicht niemand nehmen, weder die Gesetze des
bakufu
, noch persönliche Erlasse des Fürsten, den sie eigentlich über alles verehren sollten – des Shoguns. Gesetze wurden von Politikern gemacht, und Politiker waren keine Götter. Sogar der Shogun war nur ein Mensch. »Gesetz« und »Gerechtigkeit« waren nicht austauschbar.
    Die Männer, die hier knieten, waren ebenfalls keine Götter – so wie der »Tokugawa-Frieden« kein echter Frieden war. Doch sie waren Krieger, deren Ahnen einen Verhaltenskodex aufgestellt hatten, dessen Wurzeln bis in eine Zeit reichten, in der es nicht einmal den Titel des Shogun gegeben hatte. Dieser Kodex war ein Versuch gewesen, den Unterschied zu erhalten zwischen einem Mann, der für eine Sache kämpfte, und einem Mann, der nur kämpfte, weil er seine Menschlichkeit verloren hatte.
    Den Kern des
bushidō
, dem Weg des Kriegers, bildeten sieben moralische Tugenden, und es wurde erwartete, dass ein Samurai sein Verhalten danach richtete:
Gerechtigkeit, Mut, Güte, Respekt, Wahrhaftigkeit, Treue und Ehre
. Die Tatsache, dass diese Werte so lange unverändert Bestand hatten, obwohl sie die meiste Zeit nicht einmal niedergeschrieben worden waren, sprach für ihre Weisheit. Die Tatsache, dass so wenige Männer, die sich Samurai nannten, ihren eigenen Anforderungen gerecht wurden, bewies nur die Notwendigkeit eines solchen Kodex.
    Oishi nickte in Richtung des Tisches und der symbolischen Gegenstände, die darauf lagen. »Wenn ein Verbrechen ungesühnt bleibt, ist die Welt nicht im Gleichgewicht. Wenn ein Unrecht nicht gerächt wird, schaut der Himmel beschämt auf uns herab. Wir müssen ebenfalls sterben, um diesen Kreis der Vergeltung zu schließen – es geht nicht anders – also überlasse ich euch die Entscheidung.«
    Kai beobachtete die Männer vor Oishi, die über seine Worte und deren Konsequenzen nachdachten. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen, wie ein Falke, der auf dem Wind segelte. Er wusste, dass Oishi die Wahrheit sprach. Wenn die Ronin Erfolg hatten, würden sie die Ehre ihres Fürsten wiederherstellen und Mika würde ihr Geburtsrecht zurückerhalten – vorausgesetzt, es gab noch wahre Gerechtigkeit in der Rechtsordnung des
bakufu
.
    Doch wenn die Ronin ihren Rachefeldzug überlebten, hatten sie einen direkten Befehl des Shoguns missachtet. Wenn sie die Gesetze ihrer Gesellschaft nicht ebenso anerkannten wie die höhere Gerechtigkeit, nach der sie strebten, blieb die Welt im Ungleichgewicht. Der Kreis der Vergeltung musste geschlossen werden, bevor er außer Kontrolle geriet. Ein Leben oder zehn oder hundert waren eine Kleinigkeit im Vergleich zum großen Lebenskreislauf, der sich weiterbewegen musste.
    Und doch hatte jeder einzelne von ihnen nur ein einziges Leben ...
    Horibe stand auf und ging zum Tisch. Er kniete sich vor Fürst Asanos Helm und verbeugte sich. Dann stach er sich mit Fürst Asanos Dolch in den Finger und unterschrieb mit seinem Namen auf dem Stück Papier. Damit leistete er einen Blutschwur, seinen Fürsten zu rächen. Hara stand als Nächster auf und trat vor. Die anderen Ronin folgten

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