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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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gelegen und sich vorgestellt, dass er auf dem Grund des Himmels lag, als wäre er das Meer. Er hatte sich vorgestellt, wie es sich anfühlen würde, aus der Tiefe heraus in dieses ganze Blau hinaufzuschweben. Die Wolken über seinem Kopf hatten in seiner Vorstellung die Form von seltsamen Fischen, Kaninchen und Hunden oder Karikaturen vertrauter Gesichter angenommen. Wie durch Magie waren die Formen ineinander übergegangen.
    Er hatte sie gefragt, was sie sah, wenn sie in die Wolken blickte. Er half ihr, die absurdesten Formen zu erkennen, die sich ihr Hirn nur ausdenken konnte ... erst später merkte sie schockiert, dass sie lachte, mit dem Finger zeigte und nicht länger wie erstarrt dasaß und leise weinte. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter waren die Tränen auf ihren Ärmeln und ihrem Gesicht getrocknet. Irgendwie fühlte sie sich auf einmal so groß und stark wie Bashō. Es war, als hätte sie sich wie die Wolken in etwas Neues verwandelt – größer und weiser, als es sich ein trauerndes Mädchen erhoffen konnte.
    Sie hatte Bashō gefragt, ob ihr ihre Mutter vielleicht in Wolkenform erscheinen würde. Er hatte ihr erklärt, dass der Geist ihrer Mutter nun Teil aller Dinge auf der Welt war: des Himmels, der Felder von Ako und aller Menschen innerhalb und außerhalb der Burg ... Aber ganz besonders Teil ihres Herzens und des ihres Vaters.
    Seine Worte hatten ihr den Trost gespendet, den sie brauchte, ihr den Willen gegeben, wieder am Leben teilzunehmen und die Liebe ihrer Mutter in sich zu tragen wie einen wertvollen Schatz. Sie fühlte sich verändert. Sie wollte, dass ihr Vater aus seinen Gemächern herauskam und mit ihr auf die Mauer kam, um das Gleiche zu lernen wie sie.
    »Bashō!«, hatte eine ärgerliche Stimme gerufen. Mika hatte Oishi Yoshio entdeckt – den Sohn des Burgvogts, der zwar noch den Haarschnitt eines Jungen, aber schon das überbordende Selbstbewusstsein eines beinahe erwachsenen Mannes hatte. Er kam mit langen Schritten auf der Mauer entlang auf sie zu. »Was in ...«
    Er blieb wie angewurzelt stehen, als er Mika entdeckte und bemerkte, dass die übrigen Damen ihre Kinderfrauen waren. Er verbeugte sich tief. »Madame Mika, vergebt mir! Ich wollte nicht ... äh, entschuldigt die Unterbrechung ...«
    Als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesicht knallrot angelaufen, und Mika hatte gekichert. »Oh, das ist schon in Ordnung.« Sie winkte ab und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Himmel, damit er aufhörte, so dumm aus der Wäsche zu schauen. »Könnt Ihr das Kaninchen erkennen?«
    Sie wandte sich wieder Bashō zu, kniete vor den Augen von Oishi und ihren entsetzten Kinderfrauen vor dem Samurai nieder und verbeugte sich tief, wie sie es vielleicht vor dem gnädigen Buddha getan hätte. Ernst dankte sie ihm für seine Weisheit.
    Sie erinnerte sich noch, dass sie aufgestanden war und ihren Kinderfrauen befohlen hatte, ihr sofort zum
daimyō
zu folgen. Die Dame Haru – die Einzige, die nicht vollkommen sprachlos war – fragte Bashō leise, wie er es geschafft hatte, ihre Stimmung zu heben.
    Er hatte gelächelt und den Kopf geschüttelt, als hätte er gar nichts damit zu tun. »Beim Lachen verbringt man Zeit mit den Göttern«, hatte er erklärt.
    Dann waren er und Oishi gegangen.
    Oishi hatte ihr später erzählt, dass Bashō der Spitzname des Kriegermönchs war, nach dem berühmten Dichter. Die anderen Samurai hatten angefangen, ihn so zu nennen, nachdem ihr Vater ihn bei einem Wettbewerb zum besten Dichter ernannt hatte. Warum Poesie eine Fähigkeit war, die bei den Samurai in hohem Ansehen stand, war ihr lange ein Mysterium geblieben, bis sie alt genug war, um das
Buch der fünf Ringe
zu lesen.

    Mikas Gedanken kehrten abrupt in die Gegenwart zurück, als sie sich an den Autor dieses Buches, den legendären Schwertkämpfer Miyamoto Musashi, erinnerte ... und an Kai denken musste. In ihrem Herzen brannte die Wut darüber, dass er heute nicht einmal hier sein durfte, ganz zu Schweigen davon, für Ako anzutreten.
    Plötzlich bekam sie Angst, dass ihre düsteren Gedanken Unheil anziehen könnten. Sie sprach ein kurzes, stummes Gebet an die Strahlende Vorfahrin und bat sie, auf den Krieger herabzulächeln, der Kais rechtmäßigen Platz gestohlen hatte – wenn auch nur, um Akos Gesicht zu wahren.
    Eine Stimme beendete ihr Gebet vorzeitig. Sie erkannte die Stimme, hatte sie aber niemals wieder hören wollen.
    Fürst Kira stand hinter ihnen und sagte: »Ich hatte keine Ahnung, dass Eure

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