47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Vater und Fürst Kira kniend hörte Mika auf, sich Luft zuzufächeln, als die Menschen um sie herum begannen zu murmeln und auf die Arena zu zeigen. Im Gegensatz zu der Aussicht von den Feldstühlen zu beiden Seiten bot ihr ihre Position auf dem Boden keine gute Sicht auf das Feld oder die Kämpfer. Die ganze Zeit über hatte sie auf ihre Hände gesehen, die gefaltet auf ihrem Schoß lagen, oder mit ihrem aus Elfenbein geschnitzten Fächer gespielt.
Eigentlich mochte sie Kampfkunstvorführungen. Diese Wettkämpfe waren das Einzige, das noch an die stolze Geschichte der Samurai als Krieger erinnerte. Allerdings nur, wenn sie nicht an das Elend und Leid, die Verstümmelungen und das ständige Risiko zu sterben dachte, mit denen die wahren Helden konfrontiert gewesen waren. Ihre Vorfahren hatten nicht nur über ihre Feinde triumphiert, sondern dazu noch in Zeiten des Kriegs ein Leben auf dem blutgetränkten Schlachtfeld erduldet. Das allein war Beweis für ihre Fähigkeiten, ihren Mut und ihre Ehre.
Allein dieser Gedanke hatte sie auf den Anblick vorbereitet, der sich ihr nun bot. Mika entfuhr ein leises, ungläubiges Stöhnen, als sie den Riesen in der schwarzen Rüstung sah, der als nächster Herausforderer antrat. Sie hätte nicht gedacht, dass ein Mann so groß werden konnte. Sie konnte es kaum glauben, obwohl er direkt vor ihr in der Arena stand. Steckte wirklich nur ein Mensch in dieser Rüstung?
Es gab Legenden über Oda Nobunaga, den rücksichtslosesten unter den Drei Reichseinigern, die das Zeitalter des Krieges beendet hatten. Man nannte ihn den ›Dämonenkönig‹. Es hieß, dass er selbst heute noch irgendwo seine Rache plane, weil er eigentlich kein Sterblicher war, sondern ein Dämon
...
Ein Dämon
. Sie hatte sich fast ihr ganzes Leben lang anhören müssen, wie man Kai einen Dämon schimpfte, und kannte die eigentliche Bedeutung des Wortes: Es war eine Beleidigung und Lüge. Aber dieses monströse –
Ding
– konnte nicht menschlich sein, wenn es überhaupt real war. Der Gesichtsschutz des Kriegers verhüllte seine wahre Erscheinung hinter einer aus Metall gegossenen Dämonenmaske, die die der Schauspieler zuvor wie lächerliche Karikaturen wirken ließ. Das war das wahre Gesicht des Horrors, des Bösen ... ein Nachtgespenst ... ein
yōkai
...
»Wer ist das?«, fragte sie. Ihre Stimme zitterte, als sie zu ihrem Vater aufsah.
Fürst Kira beugte sich zu ihr herüber. Er wirkte äußerst zufrieden, als er statt ihres Vaters antwortete: »Das ist mein Kämpfer.«
Sie drehte sich zu Kira um und sah ihn wie vom Donner gerührt an. Dann blickte sie wieder in die Arena, in der der Samurai, der gegen Kiras Mann antrat, nicht mehr zurückwich und sich auf den Angriff vorbereitete. Blitzschnell schlug er seinen Gegner und landete einen Treffer am Schwertarm des Riesen.
Der schwarz gepanzerte Krieger schien es noch nicht einmal zu spüren. Er hieb sein
bokken
in die Seite seines Widersachers und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Bevor dieser die Balance wiedererlangen konnte, brachte ihn der große Samurai mit einem Schlag zu Fall. Dann ließ der Riese seine Waffe so hart auf den Helm seines Gegners niedersausen, dass er eine Delle im Metall hinterließ.
In weniger als einem Atemzug war der Kampf vorüber. Der zweite Schwertkämpfer stand nicht wieder auf. Er bewegte sich nicht einmal.
Das Publikum saß völlig betäubt da. Es dauerte einen langen Moment, bevor sie ihre Stimmen wiederfanden, um zu jubeln oder auch nur zu sprechen. Mika hatte unbewusst die Hand auf den Mund gelegt, als hätte sie versucht, einen Schrei zu ersticken. Doch sie wusste nicht einmal, wie und wann sie das getan hatte.
Fürst Kira beugte sich erneut mit einem beruhigenden Lächeln zu ihr herüber. »Der Kämpfer ihres Vaters ist als Nächstes dran. Ich bin mir sicher, dass es ein ausgewogenerer Wettstreit wird.«
Mika verschränkte wieder die Hände. Ihre Finger umklammerten einander so fest, dass ihre Ringe blaue Flecken hinterließen. Mehr konnte sie nicht tun. Sie sah weder ihren Vater noch Kira an und starrte direkt auf diesen Albtraum in Schwarz, ohne ihn wahrzunehmen.
Yasuno
... Yasuno konnte kein Gebet mehr helfen, egal wie viele Götter sie um Gnade anflehte. Nur Kai konnte ein solches Monster umbringen.
Nur Kai
...
»Kai!«
Kai sah zu, wie die Kameraden des gefallenen Samurai seinen schlaffen Körper vom Schlachtfeld trugen. Er fragte sich, ob der Mann tot war. Er sah tot aus ... und nach einem solchen Schlag auf
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