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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Das fordert Rache, das fordert Strafe! Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen und auch auf ihm nicht. Er soll eine Genugtuung erhalten, wie sie in der ganzen Welt noch keinem Viehdoktor geworden ist. Der arme Teufel hat sogar den erschossenen Rehbock schleppen müssen. Und jetzt sitzt er gefangen in Rheinswalden!“
    „Da wäre er doch der dümmste Mensch, den es nur geben kann!“
    „Der dümmste? Wieso?“
    „Nun, als ich echappierte, sind mir doch wohl alle sofort nachgerannt?“
    „Natürlich, alle!“
    „Nun, dann ist er allein zurückgeblieben und wird wohl so gescheit gewesen sein, sich in Sicherheit zu bringen.“
    „Hm. Das wäre möglich. Ich wollte, er hätte sich so langsam hinter uns auf die Seite gedrückt. Was mich aber freut, ist, daß es Ihm nicht gelungen ist, zu entkommen. Weiß Er, was Seiner wartet?“
    „Was denn?“
    „Das Zuchthaus.“
    ‚Geierschnabel‘ zuckte lachend die Achsel und antwortete:
    „Zuchthaus? Pah! Eines Bockes wegen? Unsinn!“
    „Unsinn? Unsinn sagt Er? Er kennt wohl unsere Gesetze gar nicht?“
    „Was gehen mich Ihre Gesetze an? Ich bin ein freier Amerikaner.“
    „Da irrt Er sich gewaltig. Er ist jetzt nicht ein freier Amerikaner, sondern ein gefangener Spitzbube. Hierzulande wird der Wilddiebstahl mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus bestraft.“
    „Dummheit! Da hätte ich demnach, was ich alles schon geschossen habe, zehntausend Jahre Zuchthaus abzubrummen. Das halte der Teufel aus, ich aber nicht!“
    „Ah! Er hat also bereits mehr geschossen?“
    „Das versteht sich!“
    „So ist es also Wilddieberei im Rückfall, und das gibt eine tüchtige Strafschärfung. Wir wollen so einem sakkermentschten freien Amerikaner einmal zeigen, wie weit seine Freiheit geht.“
    ‚Geierschnabel‘ machte jetzt ein sehr zweifelhaftes Gesicht. Er meinte:
    „Wir dürfen ja da drüben schießen, so viel uns beliebt.“
    „Da drüben ja, aber nicht hier hüben. Versteht Er mich!“
    „Donnerwetter, daran habe ich gar nicht gedacht! Der Bock trat aus dem Wald, und ich schoß; das ist alles. Brennt man mir dafür zehn Jahre Zuchthaus auf, so brenne ich auch, nämlich durch.“
    „Das soll ihm nicht so leicht wieder gelingen! Wie aber kommt es, daß Er gerade nach Rodriganda durchgebrannt ist?“
    „Weil ich hier sehr notwendig zu tun habe. Ich komme ja als Abgesandter in Angelegenheiten der Familie Rodriganda.“
    „Warum hat Er mir das nicht gleich gesagt?“
    „Warum haben Sie mich nicht gleich gefragt?“
    „Warum gab Er sich denn für den verteufelten Landola aus?“
    „Herr Hauptmann, der Hafer stach mich.“
    „Nehme Er sich in acht, daß Er nicht von etwas anderem gestochen wird! Ich werde jetzt hören, was für eine Botschaft Er zu uns bringt, und dann soll sich finden, wie weit ich Ihm wegen des erschossenen Bockes auf das Leder knie.“
    Die anderen Anwesenden hatten die beiden ungehindert sprechen lassen. Teils gab ihnen die drastische Natur der Unterhaltung innerlichen Spaß, und teils erkannten sie in ‚Geierschnabel‘ eine jener selbständigen, originellen Naturen, wie sie im Westen Nordamerikas nicht selten sind. Sie wußten bereits jetzt, daß unter den obwaltenden Umständen der alte Oberförster gar nicht daran denken werde, den Jäger zur Anzeige zu bringen. Darum ließen sie die beiden ungestört sich aussprechen, bis nun jetzt der Herzog wieder das Wort nahm.
    „Also Ihren Namen und Ihr Gewerbe kennen wir jetzt“, sagte er. „Wollen Sie uns jetzt sagen, wie Sie mit den Personen, an welchen wir so großen Anteil nehmen, zusammengekommen sind?“
    „Das können Sie hören“, antwortete ‚Geierschnabel‘. „Wissen Sie, was ein Scout ist?“
    „Nein.“
    „Pchtichchchchch!“ spritzte er mit verächtlicher Miene seinen Tabakssaft in das Feuer des Kamins, so daß es aufzischte.
    „Sie wissen es nicht?“ fragte er. „Das weiß doch jedermann! Unter den Westmännern gibt es nämlich einige wenige, welche einen so scharfen Ortssinn besitzen, daß sie niemals irregehen. Sie kennen jeden Weg, jeden Fluß, jeden Baum und Strauch und finden sich auch da, wo sie noch nie gewesen sind, mit wunderbarer Sicherheit zurecht.“
    „Ich habe gehört, daß es solche Leute gibt“, meinte der Herzog.
    „Solche Leute nennt man Scouts. Man kann sie bei wichtigen Angelegenheiten nicht entbehren. Eine jede Expedition, eine jede Karawane, eine jede Jägergesellschaft muß einen oder mehrere Scouts bei sich haben, wenn sie nicht zugrunde gehen will. Ein

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