47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
vor der Tür. Der junge Mann, welcher aus derselben stieg, war kein anderer als Kurt Helmers. Er hatte keine Ahnung davon, was geschehen war, er ahnte auch nicht, daß viele der Passanten, welche die Straße auf- und abschritten, verkleidete Polizisten seien, welche den Gasthof bewachten. Er trat in die Gaststube und ließ sich von dem anwesenden Kellner, welcher ihn nicht kannte, ein Glas Bier geben.
Einige Minuten später trat die Kellnerin herein. Sie erblickte ihn und erkannte ihn sogleich. Er nickte ihr grüßend zu, und sie trat zu ihm an den Tisch. In ihren Zügen drückten sich teils Erstaunen und teils Besorgnis aus.
„Sie hier, Herr Leutnant“, sagte sie. „So ist es also doch wahr.“
„Was?“ fragte er.
„Das Sie hierher kommen wollten.“
„Allerdings. Aber woher wissen Sie das?“
„Ein Fremder sagte es, der jetzt arretiert werden soll.“
„Arretiert, warum?“
„Er beabsichtigt ein Attentat.“
„Was Sie da sagen. Was für ein Attentat?“
„Mit einer Höllenmaschine.“
„Um Gotteswillen!“ sagte Kurt, der immer noch nicht ahnte, daß hier von ‚Geierschnabel‘ die Rede sei.
„Ja, das ganze Haus ist bewacht, und die Polizei ist bereits zu Bismarck geeilt.“
„Zu Bismarck? Warum zu diesem?“
„Weil das Attentat gegen ihn gerichtet sein soll.“
„Das wäre ja gräßlich! Wer ist der Kerl?“
„Der amerikanische Kapitän, welcher Sie hier erwartet.“
Erst jetzt erschrak Kurt.
„Was Sie sagen. Wie heißt er?“
„William Saunders.“
„Den kenne ich nicht.“
Das war allerdings wahr. Der Amerikaner hatte sich in Rodriganda doch nur als ‚Geierschnabel‘ eingeführt.
„Er sagte aber, daß er Sie kenne!“ meinte das Mädchen.
„So hat er gelogen. Wie geht er gekleidet?“
Die Kellnerin beschrieb die Kleidung ‚Geierschnabels‘.
„Ich kenne ihn wirklich nicht“, wiederholte Kurt.
„Er behauptete aber doch, daß Sie hier mit ihm zusammentreffen wollten.“
Das frappierte Kurt. Darum fragte er:
„Hatte der Mann in seinem Äußeren nicht etwas, woran er sehr leicht zu erkennen wäre?“
„Ja.“
„Was?“
„Eine fürchterliche Nase.“
Jetzt erbleichte er.
„Wäre es möglich!“ sagte er. „Der Mann sprach einen fremden Dialekt?“
„Ja.“
„Und die Polizei sucht ihn wirklich?“
„Ja. Mein Herr hat ihn angezeigt. Er will Bismarck ermorden. Er hat vielerlei Waffen und auch eine Höllenmaschine bei sich.“
„Unsinn! Der reine Unsinn.“
„Nein, es ist die Wahrheit, Herr Leutnant.“
„Also er ist zu Bismarck?“
„Ja.“
„Und die Polizei ist auch hin? Hinter ihm her?“
„Ja.“
„So gilt es, keinen Augenblick zu verlieren. Ich muß ihm nach.“
Er sprang auf und eilte zur Tür hinaus. Seine Droschke war bereits fort, aber er fand sogleich eine zweite, welche in größter Geschwindigkeit mit ihm davonrasselte.
Mittlerweile war ‚Geierschnabels‘ Unterredung mit den beiden hohen Herren beendet. Er hatte den Befehl erhalten, nach Kurts Eintreffen denselben sofort zu Bismarck zu schicken und dann zu warten, was ihm von seiten des Ministers zugehen werde.
Jetzt schlenderte er seelenvergnügt durch die Straßen dahin. Er hatte zwar einen anderen Weg eingeschlagen, als den Herweg, aber bei seinem ausgebildeten Ortssinn war ja ein Verirren eine Unmöglichkeit. So erreichte er die Straße, in welcher sein Gasthof lag, auf den er langsam zusteuerte.
„Will doch sehen“, murmelte er vor sich hin, „was dieser Leutnant sagen wird, wenn ich ohne ihn bereits bei Bismarck gewesen bin. Ja, ‚Geierschnabel‘ ist ein Saukerl. Dem tut es so leicht kein Zweiter nach.“
Da trat ihm ein Herr entgegen, griff grüßend an die Hutkrempe und fragte:
„Sie entschuldigen. Haben wir uns nicht bereits gesehen?“
Der Angeredete war ärgerlich darüber, in seinem wohltuenden Gedankengang gestört worden zu sein. Darum antwortete er in einem barschen Ton:
„Ich wüßte doch nicht wo!“
„Drüben!“
„Wo, drüben?“
„In den Vereinigten Staaten.“
„Was gehen mich die Staaten an.“
„Aber Sie sind doch Offizier der Vereinigten Staaten.“
„Das geht wieder Sie nichts an.“
„Logieren Sie nicht im Gasthof zur Stadt Magdeburg?“
„Pchtichchchchch!“ spritzte ihm der Gefragte einen dicken Strahl Tabakssaftes entgegen.
„Donnerwetter! Nehmen Sie sich doch in acht“, rief der Geheimpolizist. „Wenn Sie priemen, so brauchen Sie meinen Überzieher doch nicht für das Trottoir anzusehen.“
„Gehen Sie
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