47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
Josefa, seine Tochter, und sechs Mexikaner. Es waren noch mehr bei uns, aber sie haben uns unterwegs verlassen.“
„Wo ist Cortejo?“
„Draußen in der Nähe des Klosters. Ich bin vorausgegangen, um zu erfahren, ob du geneigt bist, ihn bei dir aufzunehmen. Doch habe ich ihm allerdings bereits versprochen, daß er dir willkommen sein werde.“
Der Pater schritt nachdenklich hin und her. Dann sagte er:
„Welch ein Zufall. Natürlich nehme ich Cortejo bei mir auf. Ich bin neugierig, ob er mich erkennen wird.“
„Wie? Ihr habt euch früher schon gekannt?“
„Ja.“
„Wo?“
„Wir sahen uns in Mexiko und auch noch anderwärts.“
„Freundlich oder feindlich?“
„Feindlich, doch kann dies auf mein jetziges Verhalten keinen Einfluß haben. Gehe, und hole ihn! Hier ist der Schlüssel. Doch laß ihn nicht vorher wissen, daß ich ihn kenne.“
„Soll ich die anderen mitbringen?“
„Nein, noch nicht.“
„Auch seine Tochter nicht?“
„Nein. Die Anwesenheit vieler könnte uns verraten. Ich nehme an, daß sein Aufenthalt bei mir geheim bleiben soll. Übrigens weiß ich noch nicht, wo und wie ich seine Leute unterbringen werde. Das wird sich erst finden, nachdem ich mit ihm gesprochen haben werde.“
Der Neffe ging und brachte bald Cortejo herein, erhielt aber dabei von seinem Oheim einen Wink, sich einstweilen zu entfernen.
Cortejo blieb an der Tür stehen, grüßte und betrachtete den Pater mit eigentümlichen, scharfen Blicken. Dieser fixierte ihn ebenso und fragte dabei:
„Euer Name ist Cortejo, Señor?“
„Ja“, antwortete der Gefragte.
„Ihr seid derjenige Cortejo, welcher im Dienst des Grafen Ferdinande de Rodriganda stand?“
„Derselbe.“
„Seid mir willkommen, und setzt Euch nieder!“
Er deutete auf einen Stuhl, auf den Cortejo sich niederließ. Er selbst aber zog es vor, stehen zu bleiben, und fuhr, noch immer kein Auge von dem anderen verwendend, fort:
„Mein Neffe sagt mir, daß Ihr auf einige Zeit ein Asyl sucht. Die heilige Religion gebietet, dem Notleidenden die Hand zu reichen, und darum bin ich bereit, Euch eine Zufluchtsstätte zu gewähren.“
„Ich danke Euch, frommer Pater! Aber wird die Zufluchtsstätte auch so beschaffen sein, daß meine Anwesenheit nicht verraten wird?“
„Habt Ihr Verrat zu fürchten?“
Diese Worte wurden zwar in unverfänglichem Ton gesprochen, doch lag dabei auf dem Gesicht des Paters ein Etwas, welches man leicht für den Ausdruck einer versteckten Schadenfreude halten konnte.
„Leider“, antwortete Cortejo. „Sind Euch meine Verhältnisse bekannt?“
„Nur so weit, daß ich weiß, daß Ihr als Kandidat des Präsidentenstuhles aufgetreten seid.“
„Nun, ich bin aus diesem Grund des Landes verwiesen worden.“
„Von den Franzosen?“
„Eigentlich vom sogenannten Kaiser Maximilian; doch kann dieser ohne Erlaubnis der Franzosen nichts tun. Ich bin nach dem Norden des Landes gegangen, um da für meine Kandidatur zu wirken, wurde aber auf der Hacienda del Erina überfallen. Man tötete meine Leute, und ich bin überzeugt, daß meine Verfolger mir auf den Fersen sind.“
„Sie werden Euch nicht erreichen. Ihr seid bei mir vollständig sicher.“
„So habt Ihr ein gutes Versteck?“
„Verstecke, so viel Ihr braucht. Dieses Kloster hat viele verborgene Höhlen, Gänge und Gemächer, daß ich gut tausend Mann verstecken könnte.“
„Das ist mir unendlich lieb, zumal ich erfahren habe, daß sich Franzosen hier befinden. Ich werde mich erkenntlich zeigen.“
„Ihr habt nichts zu befürchten. Die Franzosen sind von Juarez entwaffnet worden und werden froh sein, wenn man sie entkommen läßt. Und was die Belohnung betrifft – ah, sagt einmal, worin diese bestehen soll?“
Sein Gesicht hatte bei diesen Worten einen lauernden Ausdruck angenommen.
„Ich bin reich!“ antwortete Cortejo.
„Worin besteht Euer Reichtum?“
Diese Frage wurde Cortejo doch unbequem. Er antwortete:
„Habt Ihr ein besonderes Interesse, dies zu erfahren?“
„Ja“, meinte der Pater ruhig. „Ich könnte sagen, daß Ihr von Belohnung redet und ich Euch gegen Eure Verfolger schütze, ich hätte das Recht, mich zu überzeugen, ob Ihr auch imstande seid, mir eine solche Wohltat zu vergelten. Aber ich bemerke Euch, daß ich von jeder Belohnung absehe. Meine Frage hatte nur den Zweck, Eure Verhältnisse zu erfahren, um zu wissen, in welcher Weise ich Euch nützlich werden kann.“
„Ich danke Euch. Wie kommt es, daß Ihr ein solches
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