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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wohl des Kaisers gewollt hat. Indem der letztere das bekannte Dekret fertigte und unterzeichnete, hat er das jus talionis herausgefordert und über sein Leben verfügt. Indem er alle Bemühungen des Präsidenten zurückwies, hat er über sein Leben verfügt. Indem er die Bitte des französischen Marschalls, mit ihm Mexiko zu verlassen, das Gehör versagte, hat er über sein Leben verfügt. Hat Juarez nicht recht?“
    „Was soll ich Ihnen antworten, lieber Leutnant. Ich möchte fast verzweifeln!“
    „Juarez hat die rettende Hand wiederholt geboten, sie wurde zurückgewiesen. Juarez war nicht die Person, mit welcher man unterhandeln konnte, von der man sich retten lassen sollte. Verträgt es sich mit der Würde des Präsidenten, die Hand abermals zu bieten, wo übrigens an eine Rettung kaum noch gedacht werden kann?“
    „Mit seiner Würde allerdings nicht. Aber als Mensch muß er vor dem Vergießen dieses Blutes zurückschrecken, und dennoch wies er mich ab.“
    „Ah, da komme ich auf seine vermeintliche Unhöflichkeit.“
    „Vermeintlich? Ich bin neugierig, wie es Ihnen gelingen soll, ihn zu entschuldigen.“
    „Eine bloße Entschuldigung liegt nicht in meiner Absicht. Ich will ihn so verteidigen, daß Sie ihn freisprechen, ja, daß Sie sogar sein Verhalten gutheißen.“
    „So versuchen Sie das Unmögliche!“
    „Bitte sagen Sie mir, ob Juarez das, was er für den Kaiser tat, öffentlich tun durfte.“
    „Keineswegs.“
    „Warum nicht?“
    „Er hätte sich bei seinen Anhängern unmöglich gemacht. Es wäre um sein Ansehen, um seine Präsidentschaft geschehen gewesen. Sie staunen, und dennoch ist es richtig. Ich versichere Ihnen, daß ich überzeugt bin, der Präsident sei auch nun noch nicht abgeneigt, dahin zu wirken, daß wenigstens das Leben des Kaisers nicht angegriffen werde –“
    „Wirklich?“ unterbrach sie ihn.
    „Ich wiederhole Ihnen, daß ich wirklich überzeugt bin.“
    „Sie geben mir die bereits geschwundene Hoffnung zurück.“
    „Mußte er vorher geheim handeln, so nun erst recht. Wo die Republikaner den Kaiser sicher zu haben glauben, werden sie ihn mit aller Gewalt festhalten. Er kann ihnen nur durch List entrissen werden.“
    „Das sehe ich ein.“
    „Die Schritte, die Juarez in dieser Richtung tut, müssen sehr geheim gehalten werden. Niemand darf ahnen, daß er sich auch nur mit der Spur eines Gedankens beschäftigen könne, welcher dem Kaiser günstig ist.“
    „Ich gebe das zu. Aber was bezwecken Sie denn eigentlich mit dieser so eifrigen Auseinandersetzung?“
    Kurt wehrte mit der Hand ab und fuhr, ohne ihr eine direkte Antwort zu geben, fort:
    „Und nun gehen Sie öffentlich zu ihm, um ihn um das Leben des Kaisers zu bitten, offen und frei; vor den Augen und Ohren aller Welt, die nur sehen und hören und dann – beobachten und verurteilen will!“
    „Gott, ich begreife, was Sie meinen.“
    „Das wollte ich. Hat Juarez nicht das Recht, Sie unvorsichtig zu nennen?“
    „O, mehr als das.“
    „Und selbst, daß er Ihnen dies Wort gesagt hat, ist ein sehr großes Wagnis von ihm. Indem er von Unvorsichtigkeit spricht, gibt er indiskret zu, daß er Vorsicht wünsche, also, daß er sich mit dem Gedanken beschäftige, den Sie in ihm anregen wollen.“
    „Leutnant“, meinte die Prinzessin, seine Hand ergreifend, „Sie stellen diese Angelegenheit in ein Licht, für welches ich Ihnen gar nicht genug dankbar sein kann!“
    „Ich will Ihnen nur beweisen, daß Juarez nicht unhöflich, nicht ungezogen gegen Sie gewesen ist, sondern Ihnen auf eine, zwar indiskrete, doch korrekte und diplomatisch feine Weise die Versicherung gegeben hat, daß er tun werde, was in seinen Kräften steht, um Ihre Bitte zu erfüllen.“
    Bei diesen Worten änderte sich die trübe Stimmung der Prinzessin plötzlich. Ihr Gesicht glänzte vor Freude, und in lebhaftem Ton sagte sie:
    „Sie geben mir da eine Lektion, wie ich sie aus dem Mund eines jungen Leutnant nicht erwartet, ja geradezu für eine Unmöglichkeit gehalten hätte. Man hat recht, Sie als einen guten Offizier zu bezeichnen, und ich bin überzeugt, daß Sie so nebenbei auch noch das Zeug zu einem ganz leidlichen Diplomaten haben.“
    „Zu viel auf einmal, meine Gnädigste“, lachte Kurt. „Aber bleiben wir beim Gegenstand unserer Unterhaltung. Ich kann Ihnen sogar den Beweis liefern, daß ich die Antwort, welche Sie von Juarez erhalten haben, richtig deute. Ich habe Ihnen doch vorhin gesagt, daß ich den Kaiser belagere, nur um ihn

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