49 Stunden
er war ein gutes Druckmittel. Ihr damit zu drohen, ihn ihr wegzunehmen, war effektiver als ihr damit zu drohen, ihr weh zu tun. Er wollte sie ja auch nur einschüchtern, nicht ihr Todesängste machen.
Marge war noch immer sauer auf ihn und meinte, er solle Harry ruhig im Knast schmoren lassen, dann würde er endlich mal sehen, dass die Welt sich nicht nur um ihn drehte. Sie hatte Recht. Harry dachte, er sei der König der Welt, er könne sich alles erlauben. Carlo konnte noch immer nicht fassen, dass er seine Ex-Frau Lucinda einfach so abgeknallt hatte. Er hatte sie gut gekannt, natürlich, er hatte für sie fast genauso viel erledigt wie für Harry.
Sie war jung gewesen, nicht einmal dreißig, und viel zu hübsch für Harry, der 51 war und bereits weißes Haar hatte. Aber Harry hatte sich mal wieder mit Geld alles kaufen können, was er wollte. Er wollte Lucinda. Sie wollte sein Geld. Und nun hatte sie es mit dem Tod bezahlt.
Carlo war damals vor zwei Jahren froh gewesen, dass Lucinda das Baby genommen und Harry verlassen hatte. Sie hatte die Scheidung auch nur so schnell über die Bühne bringen können, weil sie auf Unterhalt verzichtete. Natürlich musste Harry Alimente in immenser Höhe für die gemeinsame Tochter Gina zahlen, doch er hatte das gemeinsame Sorgerecht erwirkt. Er hatte Gina seitdem an den Wochenenden bei sich, auch wenn es Lucinda nicht passte. Die hatte inzwischen einen neuen Mann kennengelernt, Dan White, den sie erst letzte Woche geheiratet hatte.
Harry war fuchsteufelswild gewesen, hatte zu viel getrunken – sogar noch mehr als üblich – und hatte sich mit seiner Knarre im Gepäck auf zu Lucinda gemacht.
Er sagte, er habe reden wollen, doch Carlo wusste, dass er es genau geplant hatte. Wenn er Lucinda nicht haben konnte, würde sie niemand haben. Und so hatte er sie eiskalt erschossen, mit zwei Schüssen ins Herz. Dan hatte er bereits davor erledigt, als der ihm die Tür aufmachte. Harry war schlau genug, ihm eine Pistole in die Hand zu legen, damit es so aussähe, als wäre er bedroht worden. Nur würde ihm das keiner abnehmen.
Erst als beide schon tot am Boden lagen, entdeckte Harry die kleine Gina, die zitternd im Türrahmen stand. Sie war von den ersten Schüssen aufgewacht und im Nachthemd ins Wohnzimmer gekommen. Harry hatte sie sich geschnappt und war mit ihr in seinem Wagen davongefahren, doch die Cops hatten ihn schnell eingeholt. Das alles war erst zwei Tage her.
Carlo wusste nicht, wie viel Gina wirklich gesehen hatte, er wusste nur, dass sie seitdem einen Schock hatte und kein Wort mehr sprach.
Er wollte auf jeden Fall verhindern, dass ein zweites Kind aufgrund von Harrys Unberechenbarkeit zu Schaden kam.
***
Das Mädchen hatte sie mitgenommen und sich als ››Tamara‹‹ vorgestellt. Sie sagte ihr, sie heiße Katelyn Walters, sie könne sie aber Katie nennen, und zeigte ihr ihren Beluga.
›› Süß‹‹, sagte Tamara und Katie erzählte ihr, dass sie am Nachmittag sogar echte gesehen hatte.
Tamara war erstaunt und fragte, ob sie Freundinnen sein wollten. Warum nicht, dachte Katie, dann bin ich wenigstens nicht ganz allein.
›› Kinder, das ist Katie. Sie ist acht Jahre alt und eine Freundin von eurem Onkel‹‹, hatte Marge vorhin angekündigt. ››Sie wird übers Wochenende bei uns bleiben und ich möchte, dass ihr alle lieb zu ihr seid. Wenn ich irgendwelche Beschwerden höre, gibt es Ärger, habt ihr alle verstanden?‹‹
Alle vier nickten und bejahten.
›› Gut, dann geht jetzt auf eure Zimmer. Und denkt dran, um halb zehn ist Schlafenszeit!‹‹
›› Dürfen wir wirklich bis um halb zehn aufbleiben?‹‹, fragte Katie Tamara jetzt.
›› Klar, aber nur am Wochenende. An Schultagen müssen wir um neun ins Bett.‹‹
Katie staunte. Sie musste immer um Punkt acht Uhr im Bett sein, da bestand ihre Mommy drauf und es gab auch keine Ausnahmen.
›› Was ist mit Süßigkeiten?‹‹, fragte Katie weiter.
›› Wir dürfen sie essen, wenn wir sie selbst beschaffen. Mom hat nicht so viel Geld, weißt du? Aber Carlo bringt oft welche mit.‹‹
Wer war dieser Carlo? Meinte sie damit etwa Bob?
›› Erlaubt deine Mom dir etwa keine Süßigkeiten?‹‹
›› Nur eine Handvoll am Tag.‹‹
›› Ehrlich? Komm mit, ich zeig dir was.‹‹
Tamara nahm Katie an die Hand und brachte sie in das Zimmer ihres großen Bruders Shawn. Er war schon seit zwei Monaten weg, ihre Mom sagte, er sei zur Armee gegangen, aber sie wusste, dass er dafür zu
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