5 Auch Geister können sich verlieben
die Schokoriegel …«
Paul sah sie von oben herab an. »Die kannst du dir sonst wohin stecken.«
»Mr Slater!« Eine der Novizinnen, die immer durch die Schule patrouillieren, um sicherzugehen, dass wir nicht allzu laut werden, richtete einen Zeigefinger auf Paul. »Sie gehen sofort zum Schuldirektor!«
Daraufhin entgegnete Paul etwas, das sicher dazu angetan war, ihn vorübergehend, wenn nicht sogar endgültig, von der Schule auszuschließen. Seine Worte waren so gewagt, dass selbst ich rot wurde. Dabei habe ich drei Stiefbrüder, wovon zwei regelmäßig verbal entgleisen, wenn ihr Vater sie nicht hören kann.
Die Novizin brach in Tränen aus und rannte in Richtung Direktorat. Paul sah der kleinen schwarz gekleideten, fliehenden Gestalt nach, dann wandte er
sich wieder Kelly zu, die mittlerweile ebenfalls weinte. Schließlich richtete er den Blick auf mich.
Da lag so einiges in diesem Blick. Wut, Ungeduld, Verachtung.
Aber vor allem – und ich glaube nicht, dass ich mich da irrte – war darin Schmerz zu sehen. Ernsthaft. Meine Worte hatten Paul Slater tief gekränkt.
Nie im Leben wäre mir eingefallen, dass irgendwas diesen Menschen kränken könnte.
Vielleicht stimmte es ja doch, was ich zu Jesse gesagt hatte – dass Paul sich einsam fühlte. Vielleicht brauchte er wirklich einen Freund.
Aber an der Mission Academy hatte er sich gerade gar keine Freunde gemacht, das stand fest.
Eine Sekunde später löste er den Blick von mir, wirbelte herum und marschierte aus der Schule. Kurz darauf hörte ich, wie er den Motor seines Wagens anließ und mit quietschenden Reifen vom Schulparkplatz fuhr.
Paul war weg.
»Tja, nun«, sagte CeeCee genüsslich, als sie auf mich zukam. »Damit wäre die Wahl wohl entschieden.«
Sie riss meinen Arm in die Höhe, als hätte ich einen Box-Preiskampf gewonnen. »Meine Damen und Herren, Applaus für die neue Stellvertretende Schülerratsvorsitzende!«
KAPITEL 15
P aul kam an dem Tag nicht mehr zur Schule.
Allerdings hätte auch niemand damit gerechnet. In der elften Klasse machte das Gerücht die Runde, Paul würde bei seiner Rückkehr automatisch für eine Woche der Schule verwiesen werden. Offenbar hatte Debbie Mancuso das von einem Sechstklässler gehört, der das wiederum von Pater Doms Sekretärin aufgeschnappt hatte, als er dort eine Verspätungs-Entschuldigung abgeliefert hatte.
Es war wohl auch das Beste, wenn Paul wegblieb, bis etwas Gras über die Sache gewachsen war. Es hieß, die Novizin, die er so heftig beleidigt hatte, habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und habe sich mit einem kalten Umschlag auf der Stirn im Krankenzimmer hinlegen müssen. Ich selbst konnte mit ansehen, wie Pater Dominic auf dem Flur vor dem Krankenzimmer hin und her tigerte. Am liebsten wäre ich zu
ihm gegangen und hätte ihm entgegengeschleudert: »Hab ich’s Ihnen doch gesagt!«.
Aber das wäre irgendwie unter meinem Niveau gewesen.
Außerdem war ich immer noch sauer auf ihn wegen Jesse. Je mehr ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Die beiden hatten sich gegen mich verschworen! Als wäre ich ein dummes kleines Mädchen, dem sie eine dumme kleine Verknalltheit austreiben müssten. Dieser Blödmann Jesse hatte noch nicht mal genug Mumm gehabt, mir ins Gesicht zu sagen, dass er nichts von mir wollte! Was dachte der denn, was ich dann getan hätte? Ihm ins Gesicht schlagen oder was? Na ja, jetzt war ich erst recht in der Stimmung dazu.
Die meiste Zeit allerdings war mir eher danach, mich irgendwo zu verkriechen, um zu sterben.
Anscheinend war ich nicht die Einzige, der es so ging. Auch Kelly Prescott war schlecht drauf. Aber sie spielte ihre Opferrolle wesentlich besser als ich. In einem theatralischen Anfall riss sie die Slater -Hälfte von der Verpackung aller Schokoriegel, die sie noch übrig hatte, und kritzelte stattdessen mit einem Filzstift Simon auf die Innenfolie. Offenbar waren Kelly und ich plötzlich wieder Freundinnen.
Ich gewann die Wahl zur Stellvertretenden Schülerratsvorsitzenden der Junipero Serra Mission Academy
einstimmig. Nein, nicht ganz – eine einzelne Briefwahl-Stimme ging an Brad Ackerman. Es gab keine Frage, wer für ihn gevotet haben könnte. Er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, seine Handschrift zu verstellen.
Angesichts der Party, die er noch am selben Abend steigen lassen würde, nahm ihm das niemand krumm. Er hatte die Gäste angewiesen, nicht vor zehn Uhr einzutreffen, weil zu dem Zeitpunkt Jake seine Schicht bei
Weitere Kostenlose Bücher