5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
standen sich einfach sehr nahe. Ihre Liebe zu beobachten war für mich ebenso beeindruckend wie herzzerreißend. Und sie gehörten beide meiner eigenen Generation an.
Wir unterhielten uns stundenlang, tiefe und aufrichtige Gespräche. Dabei redeten wir auch darüber, wie es ist, in so einem Alter den Tod zu akzeptieren. Wir können uns ganz leicht einreden, dass wir ewig leben. Aber so läuft es eben nicht. In den Stürmen des Lebens gibt es immer auch ein paar Jüngere, die gehen müssen. Wie blühende Blumen, die noch keine Frucht getragen haben, werden sie aus dem Leben gerissen, bevor sie ihr volles Potenzial entfalten konnten. Andere erreichen die volle Reife und treten ab, wenn sie gerade auf dem Höhepunkt des Lebens sind. Wieder andere leben über die Blütezeit ihres Lebens hinaus und degenerieren langsam, aber sicher im Laufe der Jahre.
Man sagt oft, jemand ist gestorben, bevor seine Zeit gekommen ist, aber so ist es nicht. Wir alle gehen genau dann, wenn unsere Zeit gekommen ist. Millionen von Menschen ist kein langes Leben bestimmt. Die Annahme, dass wir alle ewig leben können– oder zumindest bis ins hohe Alter–, ist daran schuld, dass wir so schockiert und verzweifelt sind, wenn ein junger Mensch stirbt. Dabei gehört auch das zum Leben, bei allen Spezies. Manche sterben jung, manche in mittlerem Alter, und andere werden sehr alt. Natürlich bricht es einem das Herz, jüngere Leute sterben zu sehen, wenn es doch so aussieht, als hätten sie noch ihr ganzes Leben vor sich. Ich habe Freunde, die kleine Kinder verloren haben, und habe ihren Herzschmerz miterlebt, der bei manchen nie ganz verschwindet. Aber diesen Kindern oder jungen Erwachsenen war eben kein langes Leben bestimmt. Sie kommen in unser Leben, strahlen hell, und nach ihrem Tod hat man eine reine Erinnerung an das, was sie einem während ihrer kurzen Zeit gegeben haben.
Da Jude über vierzig bis dahin noch völlig gesund gewesen war, wäre es leicht gewesen zu sagen, wie falsch es doch war, dass so eine gute Frau im Alter von gerade mal vierundvierzig Jahren sterben musste. Doch Edward und sie hatten es akzeptiert, und sie waren dankbar, dass sie sich getroffen und eine so große Liebe kennengelernt hatten. Außerdem waren sie mit Layla gesegnet worden. In dieser Hinsicht war Jude ganz friedlich, denn sie wusste, dass sie die Ehre gehabt hatte, dieses bezaubernde kleine Mädchen durch seine ersten neun Lebensjahre zu begleiten. Natürlich tat ihr das Herz weh bei dem Gedanken, dass sie nicht mehr da sein würde, um zuzusehen, wie aus dem kleinen Mädchen eine Frau wurde, und sie dachte auch an den Schmerz, den Layla durch den Verlust ihrer Mutter erleiden würde. Doch das Wissen, dass ihre Tochter einen liebenden Vater hatte, der sie auf ihrem weiteren Lebensweg begleiten würde, half Jude sehr.
Inzwischen war Jude völlig auf die Hilfe anderer angewiesen und konnte sich nicht mehr aus eigener Kraft bewegen. Doch am meisten frustrierte es sie, dass sie nicht mehr sprechen konnte. Als ich sie eines Abends umbettete, erzählte sie mir, ihre größte Angst sei, eines Tages nicht mehr mitteilen zu können, dass sie Schmerzen habe, und dann im Bett liegen und alles aushalten zu müssen. Ich dachte darüber nach, wie schwierig das Leben sein kann und was für verschiedene Lektionen es jedem von uns erteilt. Was für eine grässliche Art, seine letzten Wochen zu verleben– bei Bewusstsein zu sein, aber keine Kommunikationsmöglichkeit mehr zu haben. Und dazu Schmerzen, die niemand bemerkt oder zumindest nicht wüsste, wie man sie beheben könnte. Das geschieht sicher auf der ganzen Welt bei Menschen mit Krankheiten wie Schlaganfällen oder Hirnverletzungen. Oh Gott, was für eine schreckliche Art zu leben. Das rückte mein eigenes Leben gleich wieder ein bisschen in die richtige Perspektive.
Ich hörte, wie Judes Sprechfähigkeit jeden Tag ein Stück schlechter wurde. Manchmal ging es noch relativ gut. An anderen Tagen konnte ich nur verstehen, was sie meinte, weil wir einander kannten und ich aus der Intuition heraus arbeitete. An solchen Tagen griff Jude manchmal auf ein spezielles Computerprogramm zurück. Zwischen den Gläsern einer Spezialbrille befand sich ein Laser, den sie auf die Buchstaben auf dem Bildschirm richten konnte. Wenn sie lange genug auf einem Buchstaben verweilte, wurde er geschrieben, und dann ging sie weiter zum nächsten. Sobald sie ein paar Buchstaben geschrieben hatte, wurde ein ganzes Wort vorgeschlagen, und so
Weitere Kostenlose Bücher