5 Farben Blau
auch, vergiss das nicht. Übrigens, vielen Dank für die Statue, aber ich würde es vorziehen, wenn du nicht ohne mein Wissen meine Wohnung betrittst.«
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Wir sitzen in einem großen Konferenzraum mit mehr als zwanzig Personen. Einige von ihnen habe ich bereits gestern auf der Ausstellung kennengelernt. Sie starren mich an, ohne Ausnahme, scheinen wohl alle die gleiche Vermutung zu hegen. Ich weiß nicht, woher ich den Mut nehme, aber ich schaue ihnen offen ins Gesicht und verstecke mich nicht. Um etwas Raum zwischen Rhys und mich zu bringen, setze ich mich an das andere Ende des Tisches, zu Trish, die ich unter all den Gesichtern entdecke.
» Jazman, meine Liebe.« Sie umarmt mich wie eine alte Bekannte und küsst mich auf beide Wangen. Keine leichten gehauchten Küsse, sondern dicke Schmatzer. »Oh, Ihr Gesicht ist ja ganz gerötet.«
»Ja, es gab deswegen heute Morgen bereits einige Irritationen.«
Sie tätschelt meine Hand, erwähnt den Zwischenfall von gestern aber mit keinem Wort. Ich kann nicht anders, als sie in mein Herz zu schließen.
Es wird der Jahresbericht besprochen, der Vorstand entlastet, neue Förderprojekte werden vorgestellt und genehmigt. Rhys ist sehr professionell und nur gelegentlich schaut er in meine Richtung. Ich konzentriere mich so gut es geht und ignoriere ihn, was ihn offensichtlich irritiert.
»Wenn nun alle Tagesordnungspunkte geklärt sind, werde ich die Sitzung hiermit schließen .«
»Nein, ich habe noch eine Frage .« Ich höre meine Stimme, kann nicht glauben, dass ich das wirklich gesagt habe.
»Miss Darling ?« Seine Stimme ist schneidend.
»Warum fördern Sie nur Projekte für erwachsene Künstler ? Was ist mit den Kindern? Mit denen, die es nicht so leicht im Leben haben. Zum Beispiel begabte Kinder aus sozial schwächeren Umfeldern.«
Allgemeines Gemurmel entsteht, aber niemand antwortet mir wirklich.
»Miss Darling, es geht hier nicht darum, die Welt zu retten.« Rhy sʼ Stimme tropft vor Ironie und mir bricht der Schweiß aus, aber gleichzeitig erwacht in mir auch mein Kämpfergeist, mein feiner Sinn für Ungerechtigkeiten.
Ich weise auf das Schaubild, das ein Beamer an die Wand wirft. »Es ist wirklich lobenswert, wie viele Projekte die Cunningham Stiftung auf den Weg bringt und unterstützt, nur fördern diese Projekte diejenigen, die die Möglichkeit einer Ausbildung bereits haben. Wie aber sieht es mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen aus? Die Mittel für Kinderheime etwa werden immer weiter gekürzt. Ist Ihnen noch nie die Idee gekommen, wenigstens eines mit ins Programm aufzunehmen?«
Ich schaue in die Runde und stoße auf skeptische Blicke. Rhys hat sich zurückgelehnt, seine Fingerspitzen aneinandergelegt und scheint meinen Vorschlag zu überdenken, doch seine Haltung ist alles andere als positiv.
Das Schweigen breitet sich wie dichter Nebel über den Raum aus und mein Selbstbewusstsein beginnt darin zu versickern. Ich bin inzwischen aufgestanden und blicke fragend in die Runde. Rhys übergehe ich dabei wissentlich. Ich sollte mich wohl lieber setzen und den Mund halten. Doch jetzt kann ich auch nicht mehr zurück. Was bin ich für eine Idiotin!
»Also , ich finde diesen Vorschlag bemerkenswert. Warum ist eigentlich bisher niemand von uns auf diese Idee gekommen?« Trishs Stimme durchschneidet die wabernde Stille wie ein Sonnenstrahl.
Einer der Schlipsträger räuspert sich. Er heißt Rob Carter, so steht es auf seinem Namensschild , und er ist aus der Buchhaltung. »Die Gelder für das kommende Geschäftsjahr sind bereits alle verplant. Vielleicht können wir es im nächsten Jahr mit auf die Tagesordnung setzen.«
»Wir haben Juli, wieso kann es nicht mehr berücksichtigt werden ?« Ich verstehe seinen Einwand nicht und das macht mich wütend.
»Der Stiftung liegt ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde, also von Juli bis Juni des nächsten Jahres«, klärt Rhys mich auf.
Verdammt, ich beiße mir auf die Lippe, das muss ich in der Zusammenfassung überlesen haben. »Vielleicht wäre eine Aufstockung des Fonds möglich?«, frage ich kleinlaut.
Wieder Stille.
Nach einem kurzen Moment des Überlegens räuspert sich Rhys und sagt: »Wir werden einen Sonderfond einrichten, für den ich zusätzliche Mittel zur Verfügung stelle. Miss Darling wird sich um ein geeignetes Projekt hier in New York kümmern.« Rhy sʼ Stimme erfüllt den Raum und lässt keine Frage zu.
Rob macht sich ein paar Notizen. »Mr Cunningham, wie hoch wird
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