5 Farben Blau
einen Kaffee und trinke ihn im Stehen, bis mein Blick im Wohnzimmer hängenbleibt.
Auf dem weißen Couchtisch steht die blaue Marmorfigur, über die ich gestern mit Rhys gesprochen habe. Im ersten Moment weiß ich nicht, worüber ich mich mehr ärgern soll: dass er sich meinetwegen von diesem Teil trennt, oder dass er so einfach meine Wohnung betreten hat!
~
Matt klopft pünktlich um fünf vor neun an meine Tür.
»Sind Sie fertig?«
Sein fröhliches Gesicht tut mir gut. Ich hole meine Tasche und achte darauf, dass ich an die Schlüsselkarte denke.
»Wir haben es nicht weit«, sagt Matt, als er den Fahrstuhl ruft.
Zu meiner Überraschung fahren wir nur eine Etage tiefer.
»Dieses Gebäude gehört der CuDa Holding und hier befinden sich auch die Räume der Geschäftsleitung«, klärt Matt mich auf. »Sie brauchen sich also nicht jeden Morgen durch die Rushhour zu kämpfen.«
Ich bin überrascht und mir wird klar, dass ich so gut wie gar nichts über Ale xʼ Arbeit und schon gar nichts über sein Vermögen weiß.
Als ich die Chefetage betrete, herrscht eisiges Schweigen. Matt überlässt mich Abigail, die ein Abbild von Claudia in Frankfurt ist. Sie zeigt mir erst mein Büro, dann führt sie mich zu Rhys, dessen Büro direkt neben meinem liegt. Ich erwarte, auf Susan mit ihrem strengen Blick zu treffen, doch Rhys ist allein.
»Bitte, schließ die Tür«, weist er mich an.
Oh je, sein Gesicht ist verschlossen und e s strahlt wieder diese elegante Düsterkeit aus, die mich frösteln lässt. Er trägt einen sehr eleganten dunkelblauen Anzug mit einem weißen Hemd, silbernen Manschettenknöpfen und gleichfarbiger Krawatte und er sieht sehr mächtig aus. Er zeigt auf einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch. Eine Vorahnung beschleicht mich. Er ist endlich zur Vernunft gekommen und wird mich feuern , läuft in einer Endlosschleife vor meinem inneren Auge ab.
»Ich habe heute Morgen mit Alex gesprochen.«
Ich warte ab. Kein Guten Morgen, wie war deine erste Nacht? Das wird auf jeden Fall ein Rausschmiss.
»Ich kann mir denken, was Alex von dir wollte .«
»Weißt du auch, was ich von Alex wollte? Denn ich habe ihn angerufen. Auch wenn er dein Bruder ist, denke ich, dass er dir die Wahl überlassen sollte, ob du weiter für mich arbeiten willst. Dir ist die sexuelle Spannung zwischen uns bekannt. Der gestrige Abend hat gezeigt«, er weicht meinem Blick für einen Sekundenbruchteil aus, dann sieht er mich wieder starr an, »dass ich gelegentlich ein wenig inkonsequent bin.« Wieder flackert sein Blick, allerdings nur so kurz, dass ich fast nicht sicher bin, ob ich es richtig beobachtet habe. Er fährt ungerührt fort: »Ich will dich. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Die Nüchternheit in seiner Stimme lässt mich aufhorchen. Es ist beleidigend, wie ein Handelsgut betrachtet zu werden, über das rationell entschieden werden muss.
»Nun, ich habe gerade erst eine Affäre hinter mir, die nicht gut geendet ist. Mir ist ganz bestimmt nicht danach, mein Leben erneut zu komplizieren. Ich weiß nicht, ob meine Selbstdisziplin ausreicht, um mich gegen deine Avancen auf Dauer zu wehren, aber ich schwöre, dass ich mich professionell verhalten werde, wenn du es auch tust. Ich will diesen Job. Und ich habe noch nie auf das gehört, was mein Bruder mir vorschreiben wollte.«
Rhys sieht mich lange an, als versuche er, in meinem Gesicht zu lesen. Doch ich schaue geschäftsmäßig zurück. Mit keinem Wort erwähne ich seine Zärtlichkeiten von gestern Nacht. Entgegen seiner Versicherung, nie etwas mit seiner Assistentin anzufangen, hat Rhys Cunningham mich gestern vor großem Publikum liebevoll umgarnt und dann mit kaum verhohlener Leidenschaft auch noch geküsst. Und ich habe diesen Kuss nicht nur erwidert, sondern auch genossen. Wir beide wissen, dass die letzte Nacht auch ganz anders hätte enden können, als sie dann schließlich endete. Es ist beinahe so, als hätten sich zwei Spieler am Pokertisch getroffen, nur um festzustellen, dass sie auf ähnlich hohem Niveau miteinander spielen werden. Ja, das ist ein Bild, das mir gefällt. Dabei komme ich gut weg. Besser, als ich es verdient habe, denn ich fühle mich Rhys Cunningham überhaupt nicht gewachsen, wenn ich ehrlich bin. Allmählich befürchte ich, dass ich nur verlieren kann. Meinen Stolz, meine Integrität, mein Herz.
»Gut«, nickt Rhys, lächelt aber nicht.
Ich recke mein Kinn vor und schaue ihm geradewegs in die Augen. Es gibt nichts, wofür ich
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