5 Tage Liebe (German Edition)
Natürlich drängt sich mir die Frage auf, ob es vielleicht das letzte Mal ist, dass ich sie sehe.
„War wirklich ein schöner Abend. Danke für die Cola und all das hier.“
„Du bist doch bestimmt sonst Besseres gewöhnt.“
Ich meine es nicht so, wie es vielleicht rüberkommt, ich habe nur einen Moment nicht nachgedacht. Dabei habe ich doch den ganzen Abend versucht, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich Probleme habe. Probleme wegen dem Wort Prostituierte.
„Nicht immer.“
Sie steht auf, ich tue es ihr gleich, bleibe direkt vor ihr stehen. Sie lächelt.
„Jonas Fuchs. Es war wirklich schön, dich kennengelernt zu haben.“
Sie streckt sich etwas und küsst mich sanft auf die Wange. Ich will zum zweiten Mal an diesem Tag die Zeit anhalten. Zum zweiten Mal wegen ihr.
„Es war mir eine Freude, dich kennengelernt zu haben, Maya Schreiner.“
Als sie mich wieder ansieht, will ich sie küssen. Ich muss sie einfach küssen. Alles in mir will sie küssen, umarmen und nie mehr loslassen. Ich bin verliebt wie ein verrückter Teenager. Schlimmer noch – sie hat keine Ahnung davon.
Ich winke ihr durch die Scheibe ein letztes Mal zu und sehe ihr nach, bis sie auf der Rolltreppe der U-Bahnstation verschwunden ist, dann lasse ich mich auf den Stuhl vor mir fallen.
Dies war der bisher verrückteste Abend des Jahres und ich habe das Gefühl, noch immer Karussell zu fahren. Alles dreht sich irgendwie, und obwohl ich wirklich traurig bin, weil sie jetzt wieder weg ist, freue ich mich wie ein Schneekönig, weil sie eben noch hier war. Weil sie meine Wange geküsst hat, weil sie mich „Jonas Fuchs“ genannt hat und sich freut, mich getroffen zu haben.
Bin ich eigentlich blöd, sie so einfach gehen zu lassen?
Früher, damit meine ich so die 12. oder 13. Klasse in der Schule, da konnte ich in Bestzeit das Seil bis zur Hallendecke im Sportunterricht hochklettern. Da hat sogar mein Sportlehrer gesagt, ich wäre außerordentlich gut in Form und eine Sportskanone wie sie im Buche steht.
Nun, das liegt jetzt elf Jahre zurück, fühlt sich aber eher an wie einundzwanzig. Ich haste die Treppe nach unten und versuche, nicht zu stolpern, was mit feuchten Sohlen kein so leichtes Unterfangen ist. Aber ich erreiche die U-Bahn-Station, ohne mir einen Knochen zu brechen. Besser noch, ich habe mir auch keine Zerrung oder Bänderriss eingefangen. Motiviert durch diese Tatsache stürme ich weiter und sehe die Bahn in die Station einfahren. Die große Frage bleibt aber: von welchem Gleis fährt Maya? Und habe ich noch genug Zeit, um sie zu finden?
Meine Blicke sondieren die gesamte Station und schließlich entdecke ich sie wartend an einem Gleis. Ihre Mütze und die Locken verraten sie auch in einer Menschenmasse, also spurte ich los, was das Zeug hält. Angetrieben von der Stimme meines ehemaligen Sportlehrers im Ohr, fühle ich mich noch mal spontan wie achtzehn und ignoriere die fragenden Blicke der Menschen.
Die Bahn fährt ein, Maya sieht mich nicht, hört vermutlich auch nicht meinen verzweifelten Versuch, ihren Namen zu rufen, und steigt in die Bahn. Ich gehe im Kopf kurz alle Varianten durch:
Ich erreiche die Bahn nur knapp, die Tür schließt sich und ich winke einer verdutzten Maya zu. Oder aber ich stolpere, falle und breche mir mehrere Knochen, werde Maya nie wiedersehen und ein einsames Dasein im Krankenhaus fristen.
Oder aber ich sehe, wie jetzt, wie sich die Türen ihres Waggons schließen und springe in den Waggon davor. Ich habe es doch noch geschafft. Zwar schlittere ich die letzten Meter und muss mich recht unmännlich an einer Stange festhalten, um einen peinlichen Sturz zu vermeiden, aber ich habe das Ziel erreicht. Hier bin ich!
Durch die Scheiben, die unsere Waggons trennen, kann ich sie sehen. Einer der Momente, die ich sehr genieße. Aber so gerne ich sie einfach so beobachten würde, ich habe eine Mission.
Ihr Handy klingelt in der Jackentasche und sie braucht einen Moment, um es ins Freie zu wühlen.
„Maya, hallo?“
„Hi Maya. Ich bin es, Jonas, du erinnerst dich?“
Ein kleines Lächeln legt sich über ihre Lippen, sie streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht, nickt und antwortet dann.
„Sicher. Der Mann mit Soße am Kinn.“
„Richtig. Ich habe eine Frage.“
Eine gut gewählte Zäsur vollbringt manchmal Wunder. Aber in diesem Fall sammle ich nur etwas Mut. Sie weiß nicht, dass ich sie beobachten kann. Wenn ihr meine Frage nicht gefällt, werde ich es live an ihrer
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