50 - Schatten über Kregen
mit der gebührenden Schnelligkeit. Er unternahm keinen Versuch, mich zu schlagen. Die Schwertklinge war mit einer bräunlichen Flüssigkeit besudelt, also riß ich ein Blatt ab, um den Stahl zu säubern. Schanake keuchte, und da er ein Shank war, handelte es sich eher um ein Zischen als ein Schnaufen.
»Wir müssen uns zur Wehr setzen.« Seine gurgelnde Stimme klang kurz angebunden und tonlos. »Ich kann nicht fliehen. Du verstehst das nicht, du bist kein Shank.«
Er sah zu den herannahenden Clikroits. Er zuckte mit den schuppigen Schultern. »Du bist bloß ein Basich, nackt, schuppenlos. Doch du kämpfst gut und hattest die Ehre, mir das Leben zu retten.«
Bei diesen Worten mußte ich mich schnell abwenden, um mich nicht zu verraten. Welch ein anmaßender Bursche! Die Annahme, grundsätzlich und von Natur aus etwas Besseres und Überlegenes zu sein! Bei Krun, es war schon zum Lachen!
Ich wandte ihm wieder das Gesicht zu. »Schanake«, sagte ich und hielt dann inne. Was sollte ich sagen? Die Situation war hoffnungslos. Es gab nur eine Lösung. Ich würde ihn niederschlagen, ihn mir über die Schulter legen und fliehen.
Bei Krun, das würde seine Vorstellungen von Ehre schon zurechtrücken!
Die ganze Zeit über hatte ich geduldig mein Schwert gesäubert. Dazu war mehr als nur ein Blatt nötig, das kann ich Ihnen versichern. Er ließ mich dabei nicht aus den Augen, als würde er mit Schwierigkeiten rechnen. Vermutlich hatte er erkannt, daß mir sein Adelsgetue völlig gleichgültig war.
Also mußte ich schnell sein.
Der Plan sah wie folgt aus: Ich mußte sein Mißtrauen ausschalten und ihn dann überraschen. Ein paar Schritte jenseits des Strands wuchs ein brauchbar aussehender Ast von der richtigen Stärke aus einem Baumstamm. Ein paar schnelle Hiebe trennten ihn ab. Mit dem Bihänder in der einen und dem Ast in der anderen stellte ich mich vor ihn.
»Hier, Fischgesicht.« Ich hielt ihm das Schwert hin, mit dem Griff zuerst. »Wenn du unbedingt kämpfen willst ...«
Er starrte mich zweifellos verblüfft an.
Ich beachtete ihn nicht und befreite den Ast von den Blättern, um ihn in einen Knüppel zu verwandeln. Er würde ausreichen, bis ich einem der Ungeheuer die Waffe abgenommen hatte – Hölle und Teufel, er müßte reichen!
Mein Gefährte ließ den Bihänder durch die Luft pfeifen. Auf den ersten Blick sah es so aus, als könnte er durchaus damit umgehen; als Offizier würde er vermutlich ohnehin mehr das Schwert benutzen als den Dreizack, die typische Shankwaffe. Er betrachtete die herannahenden Clikroits mit einem Blick, den man nur als unheilvoll bezeichnen konnte.
Zwei miteinander verbundene Schatten lösten sich aus dem Dickicht und kamen über dem Strand zum Stehen. Wir hatten die Zwillingssonnen im Rücken, also standen wir im Schatten. Nur ein Objekt warf einen solchen rubinroten und smaragdgrünen Schatten. Ich sah in die Höhe. Der Flieger sank bereits nach unten. Ein sehr scharfes Augenpaar hatte uns tatsächlich erspäht. Die Clikroits blieben stehen, drohten wild mit den Waffen und veranstalteten einen teuflischen Lärm. Der Voller landete, Männer sprangen heraus und griffen die Ungeheuer an.
Der Voller hatte einen schwarzen Rumpf und buntbemalte viereckige Aufbauten. Eine Abteilung Soldaten lief über den Strand herauf in unsere Richtung.
9
Schanake fuhr herum. Sein Körper verbarg mich vor den Blicken seiner Gefährten, die den Strand heraufliefen.
Ich packte den Knüppel fester, bereit, mich vor dem Bihänder zu schützen.
Sein kleiner Mund öffnete sich weit. Da er glaubte, ich sei seiner Sprache nicht mächtig, stieß er mich mit der freien Hand zurück.
»Geh schon, du mußt entkommen!« sprudelte er auf Schannisch. Dann überraschte er mich, indem er das kregische Wort für ›Verschwinde!‹ benutzte.
»Schtump! Schtump!«
Er machte aus dem Wort buchstäblich einen Wasserfall.
Ich senkte den Knüppel. Meinen Blick mochte er als Überraschung, Dankbarkeit oder Erleichterung deuten. Ich sagte: »Wir sehen uns wieder, Fischgesicht, keine Angst!« Dann tauchte ich zwischen den Bäumen unter.
Dabei schüttelte ich ungläubig den Kopf. Wo auf Kregen sollte das noch hinführen? Hier ließ ich einen Shank am Leben, und ein Fischkopf rettete mich vor seinen Kameraden, die mich auf der Stelle erschlagen hätten.
Jemand mußte dies geplant haben. Doch wer auch immer mich hierhergebracht hatte – Ahrinye, die anderen Herren der Sterne, Zena Iztar –, wußte derjenige
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