50 - Schatten über Kregen
Verabredung. Seine Kleidung war aus Seide, von jener kostbaren Art, mit der sich die Shanks gegenseitig beeindruckten. Sein Gesicht erinnerte an einen Barrakuda. Jeder seiner Schritte verkündete seine Bedeutung. Bevor er überhaupt wußte, wie ihm geschah, fand er sich in der Gasse wieder.
Ich benutzte das zischende, schnalzende Schannisch und befahl ihm, sich still zu verhalten. Dabei stand ich hinter ihm und drückte seinen Kopf nach vorn. Etwas mehr Druck, und sein Genick würde brechen; ich setzte gerade genug Kraft ein, damit er seine Lage auch begriff. Er blubberte und zischte, rief jedoch nicht um Hilfe.
Ich stellte ihm die Frage.
»Du Flistis! Ich bin Adliger des dritten Grades. Dafür hole ich mir deinen Kopf!« Der Griff, mit dem ich ihn gepackt hielt, erschwerte ihm das Sprechen. Er bebte am ganzen Leib, was ich seiner Wut und verletzten Ehre zuschrieb, keinesfalls der Angst.
»Sag es mir!«
»Stinshish? Das kenne ich.«
Als er den Namen aussprach, klang es wesentlich feuchter und zischender als bei Lamki dem Schnellen.
»Sag mir, wo das ist.«
Die abrupte Ausübung von etwas mehr Druck, dem sofort die Befreiung folgte, damit er wieder Luft bekam, brachte die Antwort zutage. Dieser große Adlige des dritten Grades freute sich geradezu, sie mir zu verraten. Mir entging nicht die Ironie, die in der Übersetzung des Namens lag. Der Ort lag ein Stück von der Küste entfernt. Shanks entfernen sich nur ungern weit vom Meer. Er beschrieb mir den Weg.
»Gut. Verschwinde jetzt, und sei dankbar, daß du noch lebst, du stinkender Basich.«
Er schrie empört auf. Da sich mein Griff bereits etwas gelockert hatte, war es ihm möglich, sich mit überraschender Schnelligkeit umzudrehen. Im unsteten rosigen Licht der Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln sah er mir genau ins Gesicht.
Seine Reaktion zeugte von unbeschreiblicher, zügelloser Wut. »Ishtish!« setzte er zu einem gehässigen, zischenden Wortschwall an. »Ein Laichling! Und das mir! Ich ...«
Ich versetzte ihm einen solch heftigen Schlag gegen den Fischkopf, daß es ihn von den Beinen holte. Sein Kopf schlug mit einem lauten Knall auf das Kopfsteinpflaster. Und sein Schädel brach wie ein Kürbis, den man auf einen Felsen warf.
Ich stand da und starrte fassungslos wie ein Onker auf die Katastrophe zu meinen Füßen.
Das Resultat der nächtlichen Unternehmung starrte mir genau ins Gesicht. Wenn die Shanks herausfänden, daß einer ihrer Bürger von einem Pazianer – einem Laichling, einem Basich – getötet worden war, käme es trotz der Tatsache, daß es ein Unfall gewesen war, zu einem Massenmord; Ströme von Blut würden den Boden tränken.
Natürlich lag die Schuld bei mir, bei Zair. Ich, Dray Prescot, hatte besonders schlau sein wollen, mich als Fischkopf ausgegeben und den falschen Ausdruck gewählt. Flistis, das war der Begriff, den ich hätte wählen sollen. Basichs und Laichlinge waren Pazianer.
Noch während ich wie ein Narr dort stand und nach einem Ausweg aus dieser alptraumhaften Situation suchte, hörte ich, wie von der Straße lautstark Leute herbeistürmten.
15
Das grüne Blut des Shanks lief über die Pflastersteine. Ich starrte ihn entsetzt an. Was hatte ich getan? Als der Aufruhr näher kam, wußte ich genau, was ich hier angerichtet hatte. Ohne es zu wollen, hatte ich eine schreckliche Vergeltung auf die Häupter der in Terzul befindlichen pazianischen Sklaven herabbeschworen.
Mir blieben nur noch Sekunden. Ich mußte handeln. Die panische Erstarrung überwinden. Tu etwas, Dray Prescot! Sofort!
Ich bewegte mich so schnell und leise wie nur möglich, nahm eines der runden Fässer, die an der Gassenmündung aufgestellt waren, und plazierte es sorgfältig zwischen die Beine des Fischkopfes. Für etwas Ausgefallenes blieb keine Zeit mehr, ich konnte nur hoffen, daß sich die Bürger mit dem Anschein zufriedengaben und glaubten, daß er über das Faß gestolpert war und sich dabei den Schädel eingeschlagen hatte.
Ich setzte mich lautlos ab.
Wenige Herzschläge später hallten schrille Rufe durch die Nacht. Sie hatten ihn gefunden, und nun hing es von den Göttern ab, ob die Fischgesichter dem glaubten, was sie da sahen.
Ich schlug einen Bogen, wobei ich mich die meiste Zeit unauffällig in den Schatten hielt, und erreichte Lokushis Versteck. Nun erzählen viele Leute ihren Vertrauten fast alles, auf der Erde wie auf Kregen. Anscheinend können sie es nicht lassen, ihren Freunden nach Möglichkeit auch noch die
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