50 - Schatten über Kregen
würden wir natürlich auch tun. Keiner, der seine fünf Sinne beisammen hatte, verspürte Lust, daß die alte Lederschlange das Blut aus den Striemen auf seinem Rücken aufleckte.
Einige der Shanks kannten ein paar einfache pazianische Worte. Schanake zum Beispiel. »Shastum!« brachte jetzt einer der Wächter, dessen Gesicht an einen Hai erinnerte, mühsam hervor. Ruhe!
Das meistgehaßte Wort, das Sklaventreiber ihren Opfern ins Ohr brüllen, ist der Befehl »Grak!« Es bedeutet: Arbeite bis du zusammenbrichst, und wenn du danach nicht sofort weitermachst, bist du tot. Den Shanks fiel es schwer, dieses üble Wort hervorzuzischen, dafür gelang es ihnen mit einiger Anstrengung, es einigermaßen verständlich zu schnalzen. Wir verstanden. O ja, bei allen Göttern, wir unterdrückten und geschlagenen Sklaven verstanden!
Als an diesem Abend die Sonnen untergingen, trat die Frau der Schleier als erster der Monde in Erscheinung, da sie die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln am Himmel überholt hatte. Die Frau der Schleier hatte schon immer eine ganz besondere, unbegreifliche Anziehungskraft auf mich ausgeübt, so daß ich sie zu meinem Lieblingsmond gemacht hatte. Goldenes Licht durchdrang ihren rosafarbenen Schein, und die so entstandene Helligkeit verlieh den Schatten eine tiefere Substanz. Wolken trieben vor ihr strahlendes Antlitz, und Kregen wurde in Dunkelheit getaucht.
Die mächtige Armada der Shanks würde einen finsteren Schatten auf das angesteuerte Ziel mit seinen Opfern werfen. Am Ende dieser Nacht würde es viel Wehklagen und Zähneknirschen geben, zu Opaz' Kummer.
Mit diesem düsteren Gedanken hatte ich nur zur Hälfte recht.
Es würde viele Schmerzen, Blut und Tod geben. Aber ich hatte unrecht mit der Befürchtung, daß dieser Schrecken eine der Nationen Paz' heimsuchte, über die Opaz wachte.
Die Wolkendecke brach auf und erlaubte meinem Lieblingsmond, die Welt in sein Licht zu tauchen. Vor uns legten die Kriegsschiffe der Shankflotte deutlich sichtbar an Geschwindigkeit zu und lösten sich von den Frachtern. Die kregische Nacht war so still wie eine Leiche.
In dem Augenblick, als ich das schattenverhüllte Gebilde vor uns sah, das in der Luft schwebte, in dem Augenblick, als ich die Volgendrin entdeckte, die fliegende Himmelsinsel, wußte ich, was hier vor sich ging. Ich wußte sofort, was die Shanks mit diesem nächtlichen Angriff bezweckten.
Pashams!
Diese Früchte, die etwa die Größe von Honigmelonen haben, wie alte Sportsocken schmecken und wie der Mist aus einem Totrixstall riechen, waren eine Beute, deren Wert mit keinen Juwelen oder Goldbarren aufzuwiegen war. Sie waren praktisch ungenießbar. Sklaven, die sie verzweifelt vor Hunger essen wollten, erbrachen sich die ganze Nacht und den folgenden Tag dazu, bei Vox. O nein, bei diesen Früchten handelte es sich nicht um Nahrungsmittel. Getrocknet, zerstoßen und zermahlen bildeten sie eine der Ingredienzen der Silberkästen, die Flugboote antrieben.
Wenn ich recht behalten sollte, läge eine aufregende Nacht vor uns, und ich wußte, daß ich recht hatte. Eine wirklich aufregende Nacht, bei Djan Kadjiryon.
Die Shanks bauten ihre Flieger anders als wir. Ihre Antriebskästen waren nicht aus Silber, sondern aus Bronze, Messing oder anderen Legierungen. Die Frage war nur, warum sie sich heimlich in der Nacht mit einem Heer anschleichen mußten, um eine Vo'drin von ihren Pashams zu befreien? Ein weiteres Rätsel gesellte sich zu den vielen anderen Fragen, die mir auf dem schrecklichen und großartigen Kregen keine Ruhe ließen.
Unsere Shankwächter waren nun auf der Hut. Jetzt, da der Einsatz unmittelbar bevorstand, gingen die Fischköpfe mit den ihnen anvertrauten Sklaven kein Risiko mehr ein. Die Nacht war noch immer völlig still.
»Eine Vo'drin«, flüsterte Darham. »Aye, ich habe mal eine Zeitlang auf einer gedient, in den Bergen im Westen Hamals.«
Die Ironie dieser Enthüllung entging mir keinesfalls. Ich verspürte wenig Lust, in diesem Augenblick über meine lange und praktisch ergebnislose Suche nach dem Geheimnis der Silberkästen nachzudenken. Gut, ich konnte einen gewissen Erfolg verbuchen, wie die großen Flugschiffe Vallias bewiesen. Doch ihren Silberkästen fehlten einige der erforderlichen Zutaten, und so konnten sie die Luftschiffe nur anheben, nicht aber antreiben. Dafür verließen wir uns auf den ätheromagnetischen Kiel, wie ihn die Gelehrten nannten, der die Funktion eines Schiffkiels übernahm, während der
Weitere Kostenlose Bücher