52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
wieder in den Vordergrund, egal, wie sehr wir es zu verdrängen suchten?
Heute habe ich eine Million Antworten auf diese Frage (Nähe, Biologie, ein geheimes Einverständnis), am häufigsten greife ich jedoch auf die folgende zurück: Sex ist Ausdruck einer gewissen Stärke und Robustheit. Er erfordert ein starkes Selbstvertrauen sowie eine robuste Beziehung, damit man den Sumpf der Verlegenheit durchwaten und zur ungehemmten Lust gelangen kann. Es bedarf auch eines robusten Selbstbildes vom eigenen Körper. Um Sex zu haben und sich ihm wirklich hinzugeben, müssen wir uns als stark und gesund betrachten, und in der Lage, auch ein bisschen was auszuhalten.
Zu Beginn unserer Verführungen fühlte ich mich nicht so. Aber gestern, als ich zu dem lange vereinbarten Termin bei meinem Gynäkologen ging, da war ich in der Lage zu sagen: »Wissen Sie was? Mir geht es tadellos.« Daraufhin schickte er mich nach Hause.
Man könnte also sagen, meine medizinische Behandlung im vergangenen Jahr hat angeschlagen, sodass ich nun in besserer körperlicher Verfassung bin, um Sex wieder zu genießen. Aber da steckt noch mehr dahinter: Mein Selbstbild hat sich auch verändert. Ich habe aufgehört zu glauben, dass ich krank bin. Ich betrachte mich als stark, fit und gesund. Und ich achte gut auf mich.
Nun ist es zwar nicht so, dass mein geheimer Garten ein heiles Paradies wäre. Wir müssen immer noch vorsichtig sein. Aber wir haben unsere Mittel und Wege gefunden, mit diesem Problem umzugehen. Und was wohl am wichtigsten ist: Ich habe gelernt, dass mein Körper mir gehört. Es liegt nicht in Herberts Verantwortung, herauszufinden, wie er meinen Körper erfreuen könnte. Genauso wenig wie es in der Verantwortung meines Gynäkologen liegt, dass mein Körper reibungslos funktioniert. Das sind meine Aufgaben. Heute vor einem Jahr habe ich mich noch gefragt, wie die angemessenste Schamhaar-Frisur für einen Arztbesuch aussieht. Wäre ein Bikini-Waxing vielleicht zu extrem? Gestern bin ich dort mit einer total glatten Vulva aufgekreuzt. Denn schließlich ist es ganz allein meine Sache, was ich mit meinem Schamhaar tue. Kaum vorstellbar, dass ich das jemals anders gesehen habe.
Verführung Nr. 46
KITZLIG
I ch finde es unerträglich, gekitzelt zu werden. Es bringt mich auch nicht zum Lachen, sondern eher zu einem animalischen Knurren. In meinen Augen ist es nichts besonders Nettes, was man da mit jemand anderem macht.
Herbert hatte diese Lektion gleich zu Beginn unserer Beziehung zu lernen, als er einmal spaßeshalber versuchte, mich zu kitzeln und ich ihm dafür eine runterhaute.
»Wofür war das denn?«, fragte er und hielt sich die Wange.
»Ich habe dir gesagt, du sollst aufhören, und du hast es nicht gemacht.«
Ungläubiges Starren. »Aber das gehört doch dazu, dass man dabei ums Aufhören bettelt.«
»Ich mag es aber nicht.«
Diese Debatte wiederholte sich in diversen Variationen (wenn auch üblicherweise ohne Gewaltanwendung) mit schöner Regelmäßigkeit. Herbert ist nach wie vor überzeugt
davon, dass Kitzeln Spaß macht. Ich kann es nicht ausstehen. Und bei dieser Pattsituation blieb es.
Mir war klar, dass er es früher oder später als Verführung vorschlagen würde.
»O Gott, bitte nicht«, lautet meine Antwort.
»Ach komm schon. Das wird lustig.«
»Weißt du, woher das Gefühl, dass uns etwas kitzelt, eigentlich kommt?«
»Nein, Betty, und es spielt auch keine Rolle …«
»Wir verfügen von Natur aus über den Kitzelreiz, damit wir spüren, wenn Insekten auf uns herumkrabbeln. Das ist wichtig, falls die Viecher giftig sein sollten.«
Herbert schüttelt den Kopf.
»Und deshalb«, doziere ich weiter, »sollte Kitzeln eigentlich als sadomasochistische Praktik gelten.«
»Das meinst du doch jetzt nicht ernst.«
»Doch, das tue ich.«
»Es geht doch nur ums Kitzeln.«
»Schön«, sage ich, »dann kitzle eben ich dich.«
»Und ich kitzle zurück.«
»Dann brauche ich aber ein Codewort, bei dem du sofort aufhörst.«
Das ist das Problem an diesen Verführungen: Man darf nichts rundheraus ablehnen. Zur Vorbereitung tröste ich mich mit dem Erwerb eines Federkitzlers von Coco de Mer. Ich hoffe, dass ich damit das Eindringen in meine Intimsphäre als nicht so schlimm empfinde wie mit krabbelnden Fingern.
Als die Stunde der Verführung schlägt, beschließe ich, die Initiative zu ergreifen.
»Also«, sage ich, »dann werde ich dich jetzt mal kitzeln.«
»Nein«, sagt er, »du zuerst.« Ich ziehe ein Gesicht.
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