52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
seine Verführung auszudenken. Sonst geraten wir zu sehr in Rückstand.
»Das erfordert ein paar Überlegungen«, rechtfertigte er sich damals. Jetzt kenne ich den Grund dafür.
»Also, was meine nächste Verführung angeht«, sagt er, »da musst du in diesem Fall vorab eingeweiht sein.«
»Ach ja?«, erwidere ich.
»Ja«, meint er. »Um die Rolle zu verstehen.«
Ich verschlucke mich an einem Stückchen Käse. »Die Rolle?« Ich huste, und mir kommen die Tränen.
»Ja«, wiederholt er und weicht meinem Blick aus. »Ich dachte, wir könnten doch mal ein Rollenspiel ausprobieren. Ich habe versucht, mir etwas auszudenken, das nicht zu pornomäßig wirkt.«
»Heißt das, du kommst und reparierst meine Waschmaschine?« Ich grinse. »Die macht nämlich wirklich ein komisches Geräusch.«
»Nein.« Herbert ist todernst. »Du bist eine Frau Anfang dreißig. Ein bisschen interessiert an New Age und spirituellen Dingen. Ich bin Anfang zwanzig und noch Jungfrau. Deshalb sehne ich mich auch verzweifelt nach Sex. Ach ja, außerdem habe ich einen leichten Hang zum Fußfetischismus. Wir begegnen uns in einem Café, das soll unser Esszimmer sein. Ich habe mir Namen ausgedacht, die niemand trägt, den wir kennen. Deshalb heißt du Dorothy und ich Lars.«
»Alles klar«, sage ich und bin sehr dankbar für den Käsetoast, der meine wachsende Heiterkeit kaschiert. Rasch stopfe ich mir alles, was davon noch auf meinem Teller ist in den Mund, um zu verhindern, dass ich folgende Fragen stelle:
Wie kann es sein, dass in diesem Spiel nur du jünger gemacht wirst?
Fußfetischist?
Wird es auch Kuchen geben?
Soll ich etwa kostümiert erscheinen? Bis jetzt besitze ich nämlich noch keine Röcke mit Fransen und keine klimpernden Armreifen.
Fußfetischist!?
Was um Himmels willen hat dich dazu gebracht, dir für
mich die in meinen Augen unattraktivste Rolle überhaupt auszudenken?
FUSSFETISCHIST!?
Nachdem ich gekaut und geschluckt habe, entscheide ich mich für die harmloseste der genannten Fragen: »Wird es auch Kuchen geben?«
»Kuchen? Oh. Nein. Daran habe ich gar nicht gedacht. Also dann morgen Abend?«
Als er schon beginnt, die Spülmaschine auszuräumen, kommt mir ungebeten noch eine weitere Frage in den Sinn. Moment mal, spielen wir da vielleicht Herberts erste Nummer nach? Ich habe die Frau, die ihn in die wunderbare Welt der Erotik eingeführt hat, sogar mal kennen gelernt. Sie ist ein echter Fan von Batikklamotten.
Am Sonntagabend fühle ich mich ein wenig unbehaglich. Ich habe null Interesse daran, zwanzigjährige Jungs um ihre Jungfräulichkeit zu bringen. Und wir können beide nichts mit Dreißigjährigen anfangen, die ein Faible für Spiritualität haben. Das dachte ich bis jetzt zumindest. Außerdem muss ich Herbert dauernd nach ihrem Namen fragen. Ach ja, Dorothy. Wie im Zauberer von Oz, nur ohne die sexy rubinroten Schuhe.
Herbert scheint dagegen Feuer und Flamme zu sein. Er ruft die Treppe hinauf, ob ich in einer Stunde fertig sein könnte. »Ja«, antworte ich und tippe weiter. Ich hasse Theaterspielen – habe es schon in der Schulzeit gehasst, hasse es nach wie vor.
Aber aus dieser Nummer komme ich nicht mehr raus.
Wenn ich auch nur bei einer Verführung kneife, dann würde das den Bann brechen und uns beide bei allen folgenden hemmen. »Bist du so weit?«, schreie ich nach unten. »Ich brauche noch fünf Minuten.«
Ich stehe vor meinem Kleiderschrank und suche nach dem passenden Outfit für eine Dame mit Esoterik-Tick. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass ich auf diesem Gebiet kaum etwas zu bieten habe. Schließlich nehme ich ein Hängerkleid aus Jeansstoff(das eigentlich ziemlich schick aussieht) und ein paar lange Perlenketten (für die in einer anderen Kombination das Gleiche gilt), dazu noch meine Winterleggings aus Angora. Bevor ich Letztere anziehe, begebe ich mich aber nochmal ins Bad und wasche meine Füße. Ich habe keine Ahnung, was Herbert vorschwebt, wenn er von Fußfetischismus spricht, aber man kann ja nie wissen.
Unten hat Herbert den Esstisch abgeräumt und eine Tafel Schokolade hingelegt. »Was für Tee möchtest du?«, fragt er.
»Ach, ich nehme einen Kräutertee«, sage ich und bin mir nicht sicher, ob wir bereits unsere Rollen spielen. Er kommt mit zwei Teebechern zurück und wirkt nervös. Ist das nun er oder Lars?
»Hallo«, sage ich, »ich bin Dorothy.«
»Lars«, flüstert er beinahe. Was dann folgt, ist eine ziemlich gekünstelte Konversation. Ich gehöre zu den Menschen,
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