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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war, trat der Diener heraus und wandte sich sogleich wieder rückwärts, um ihn anzumelden.
    Als die beiden eintraten, stand die Frau Kreishauptmann in der Mitte des Zimmers und empfing sie mit einer tiefen Verneigung. Dann aber, als sie das Gesicht wieder erhob, war es nicht etwa ein freudiger Blick, den sie auf die Ankömmlinge warf. Gökala machte eine sehr frostige Verneigung. Der Graf aber grüßte gar nicht, sondern fixierte die Frau mit einem scharfen, stechenden Blick, und dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht, dessen Bedeutung sehr schwer zu enträtseln war.
    „Sie sind die Frau des Kreishauptmanns?“ fragt er hochmütig.
    „Zu Ihrem Befehl“, antwortete sie, ihrerseits nun auch stolz.
    „Ihr Name?“
    „Rapnin.“
    „Jedenfalls früher in Irkutsk?“
    „Allerdings.“
    „Wo ist Ihr Mann?“
    „Er pflegt noch der Ruhe.“
    „Und Ihr Sohn?“
    „Ebenso.“
    „Die Herren schlafen wohl immer so lange?“
    „Sie schlafen, wenn es ihnen beliebt!“ antwortete die Frau pikiert.
    „Habe auch nichts dagegen. Ich wollte mir nur für heute Ihre Gastfreundschaft erbitten und morgen früh weiterfahren, habe mich indessen anders entschlossen und gedenke längere Zeit bei Ihnen zu wohnen.“
    Die Frau machte ein Gesicht, in dem der Ausdruck des Erstaunens sich mit demjenigen des Ärgers stritt. Sie antwortete:
    „Ich meine, daß dazu das Gasthaus vorhanden sei. Sind Sie in Ihrem Paß ermächtigt, Ihr Logis in den Regierungshäusern aufzuschlagen?“
    „Nein, sondern ich tue das nur infolge einer langjährigen Gewohnheit.“
    „Auch wir haben unsere Gewohnheiten und Bequemlichkeiten, die einem Fremden zu opfern, wir nicht verpflichtet sind.“
    „Das ist unhöflich, Madame!“
    „Ihr Auftreten und Ihre Ansprüche sind nicht nur unhöflich, sondern mehr als das! Sie sind geradezu unverschämt!“
    „Das nehme ich Ihnen weiter nicht übel. Die Ansichten einer Frau Rapnin sind für mich nicht maßgebend.“
    „Ich nenne Sie Graf und bitte mir dafür meinen Titel auch aus. Übrigens haben Sie sich noch nicht einmal als Graf legitimiert.“
    „Und Sie sich ebensowenig als Frau Rapnin!“
    „Bei mir bedarf es keiner Legitimation. Wir wohnen hier. Sie aber sind fremd. Es ist leicht, sich für einen Grafen auszugeben und dabei die Ansprüche eines Kaisers zu machen.“
    „Vielleicht ist es ebenso leicht, sich für eine Frau Rapnin auszugeben und doch eigentlich – eine Frau Saltikoff zu sein.“
    Diese Worte waren mit einer geradezu beißenden Schärfe gesprochen, und die Wirkung, die der Graf augenscheinlich beabsichtigt hatte, trat augenblicklich ein. Die Frau fuhr zurück, maß den Grafen mit dem Blick einer Schlange und fragte:
    „Wie meinen Sie das? Ich verstehe Sie nicht.“
    „Ich meine, daß es sich baldigst als sehr notwendig erweisen könnte, daß Sie sich wieder Frau Saltikoff nennen.“
    Jetzt zog eine tiefe, leichenhafte Blässe über ihr Gesicht. Ihre Nase wurde zusehends spitz.
    „Ich verstehe Sie noch immer nicht“, stammelte sie.
    „Desto besser wird mich der jetzige Herr Kreishauptmann verstehen. Ich bitte dringend, ihn zu wecken. Sie können jetzt wenigstens ahnen, daß ich Sie nicht nur zum Scherz besuche.“
    Die Frau knickte förmlich zusammen; doch raffte sie sich wieder auf, verbeugte sich und erwiderte:
    „So nehmen Sie Platz! Mein Mann wird sogleich die Ehre haben, zu erscheinen.“
    Dann verließ sie das Zimmer.
    Der Graf strich sich mit höhnischem Vergnügen den Schnurrbart.
    „Wie gefiel dir die Alte, Gökala?“ fragte er seine Begleiterin.
    Diese antwortete nicht.
    „Willst du etwa auch Komödie mit mir spielen wie sie? Du würdest ganz denselben Mißerfolg haben. Also, wie gefiel sie dir?“
    „Immer noch besser als Sie!“
    „Sehr hübsch ausgedrückt!“ lachte er. „In kurzer Zeit werde ich dir aber ausnehmend gut gefallen.“
    „Schande über Sie, Schande! Wer sich fremden Leuten in solcher Weise aufdrängen kann, ist nicht wert, daß man nur ein Wort mit ihm spricht.“
    „So schweig! Ganz nach Belieben.“
    „Und hier soll ich mit Ihnen wohnen! Als wen wollen Sie mich denn vorstellen?“
    „Ich werde sehr rücksichtsvoll sein und dich meine Cousine nennen.“
    „Da muß ich doch bestens danken. Wenn einmal gelogen sein soll, so geben Sie mich wenigstens für Ihre Nichte aus.“
    „Gut, ich bin rücksichtsvoll wie immer. Du bist also meine Nichte, und ich junger Mensch bequeme mich, als dein Oheim zu gelten. Aber ich hoffe, daß du das dankbar

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