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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Der hat wohl hier an dieser Stelle gelegen, und als ihr ihn ausgraben wolltet, kamen wohl gar die beiden Väterchen dazu?“
    „Ja, so ist es. Dann befahl uns das junge Väterchen, diesen Ort nicht eher zu verlassen, als bis er zurückgekehrt sei und es uns erlaubt habe. Deshalb stehen wir noch hier.“
    „Alle Teufel! Ihr müßt doch die Richtung kennen, nach der die beiden Väterchen gegangen sind. Habt ihr ihnen denn nicht nachgeblickt?“
    „Nein. Wir mußten ja geradeso stehenbleiben, wie wir standen.“
    Da konnte Sam sich nicht mehr halten. Er brach in ein wieherndes Gelächter aus. Die dummen Gesichter dieser beiden Kerle, das nicht viel intelligentere des Leutnants, die ganze Situation, das war doch viel zu lächerlich, als daß man dabei hätte ernst bleiben können! Das waren echt russische Soldaten, reine Maschinen, die nicht denken können und gerade da stehenbleiben, wohin sie gestellt worden sind, und sich hier niederschießen lassen, ohne zu mucksen. Diese beiden Kerle hatten mit dem Rücken nach dem Gefängnis gerichtet gestanden, als der Rittmeister mit seinem Vater von ihnen gegangen war, und weil sie den Befehl erhalten hatten, hier stehenzubleiben, so hatten sie die ganze Nacht wie angenagelt ausgehalten, ohne sich zu bewegen, hatten sich nicht ein einziges Mal umgedreht und also gar nicht bemerkt, daß ihre Vorgesetzten zur Leiter emporgestiegen waren!
    Jetzt sahen sie den Dicken in starrer Verwunderung an, denn sie konnten sich sein Lachen gar nicht erklären. Es war doch gar nichts Lustiges hier geschehen oder geredet worden. Über diese Gesichter aber mußte er wieder und wieder lachen, so daß es eine ziemliche Weile dauerte, ehe er seine nächste Frage aussprechen konnte.
    Übrigens war der Platz nicht mehr leer. Es hatten sich viele Leute, zumeist Kosaken, eingefunden, die, neugierig, was hier verhandelt werde, einen Kreis um die kleine Gruppe bildeten.
    „Ihr wißt also nicht, wohin die Väterchen gegangen sind“, fuhr Sam fort. „Aber vielleicht werdet ihr es doch sagen können, ohne daß ihr wollt. Spazieren sind sie nicht gegangen, so viel ist gewiß. Sie müssen also einen bestimmten Zweck verfolgt haben. Wer aber einen Zweck hat, der hat auch die Mittel. Hatten sie denn irgend etwas bei sich?“
    „Ja, die Knuten.“
    „Weiter nichts?“
    „Die Laterne.“
    „Ah, schön! Das ist von großer Wichtigkeit. Wer eine Laterne hat, der geht damit nicht über Land, sondern will sich in der Nähe umsehen, sicherlich in einem Gebäude. Welches Gebäude liegt hier in der Nähe?“
    Diese Frage war an den Leutnant gerichtet. Dieser antwortete: „Das Gefängnis.“
    „Sie haben also in das Gefängnis gewollt. Ist jemand drinnen?“
    „Kosak Nummer Zehn.“
    „So haben sie zu ihm gewollt. Sie sind inspizieren gegangen, aber nicht zurückgekehrt. Also sind sie noch bei dem Gefangenen. Wer weiß, was geschehen ist! Wenn sie sich in Not und Gefahr befinden, und es kommt niemand zu ihrer Rettung, so können sie, Herr Leutnant, sehr leicht eine Strafe erhalten. Wenn der Rittmeister abwesend ist, müssen Sie das Kommando übernehmen.“
    Dies leuchtete dem Leutnant ein. Aber er bequemte sich nur zögernd und widerwillig, einen Schritt zu tun.
    „Allein gehe ich nicht hin“, erklärte er. „Wollen Sie nicht lieber mit? Sie sind doch der Freund des Gouverneurs!“
    „Ja, ich werde mitgehen, und meine beiden Kameraden auch.“
    Die Männer setzten sich nun in Bewegung, und die Menge der Zuschauer eilte hinter ihnen her. An dem Feuerwerksgebäude hielten sie an. Hier überlegte der Offizier es sich noch einmal, ob er es wagen dürfe, selbständig zu handeln, und erst als Sam ihm zuredete, stieg er langsam die Leiter empor.
    Die Zuschauer staunten in lautloser Erwartung von fern. Einmal interessierten sie sich alle außerordentlich für den Kosaken Nummer Zehn, den die fürstliche Prinzessin gestern so ausgezeichnet hatte, und der so mutig gegen den Rittmeister gewesen war. Und nun kam dazu das geheimnisvolle Verschwinden der beiden bedeutendsten Männer der Stadt. Man stand jetzt vor der Aufklärung dieses Geheimnisses und war begierig Zeuge derselben zu sein.
    Der Leutnant zog, als er die sechs oder sieben Sprossen hinaufgestiegen war, den Vorstecker heraus, öffnete höchst vorsichtig und langsam die Tür und blickte hinein. Dann aber schrie er auf:
    „Alle Heiligen!“
    „Was gibt's?“ fragte Sam.
    Anstatt der Antwort sprang der Offizier mit einem einzigen Satz von oben herunter.

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