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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erkannte sie sofort und griff mit beiden Händen nach seinem Herzen. Es war ihm, als ob dasselbe stillstehen wolle, gelähmt von der unendlichen Größe des Entzückens, das ihn durchbebte.
    „Gö-ka-la!“ hauchte er.
    Er konnte nicht laut sprechen. Er hatte den lieben, süßen Namen laut hinausschreien wollen vor Freude; aber die Stimme versagte ihm. Nur leise und abgerissen kamen die drei Silben über seine Lippen, dann trat er einen Schritt – zwei Schritte auf sie zu, erhob die Arme und fragte, kurz und hörbar atmend:
    „Ist's möglich! Du – du!“
    Da wich der Bann von ihr, und sie bewegte sich und erhob ebenso die Arme wie er. Dann tat sie mit vorgebeugtem Oberkörper einen Schritt auf ihn zu, als ob sie sich in seine Arme werfen wolle, aber noch hielt der freudige Schreck ihren Fuß gefangen.
    Sie wollte Oskar rufen, doch brachte sie nur die erste Silbe desselben hervor.
    So standen sie einander gegenüber, mit strahlenden Augen und leuchtenden Angesichtern. Endlich riß Steinbach sich von der Stelle los, an der sein Fuß wie festgebannt gewesen war und preßte die Heißgeliebte, lang Gesuchte an sein Herz.
    „Gökala, mein Leben, meine Seligkeit!“ jauchzte er auf. „Ist's denn wahr, ist's überhaupt möglich?“
    Sie wollte antworten, konnte aber nicht und brach in ein lautes, krampfhaftes Schluchzen aus, untermischt mit Lauten und einzelnen Silben, die nicht zu verstehen waren.
    So standen sie nun eng umschlungen, Brust an Brust, ohne ein Wort zu wechseln, eine lange, lange Zeit. Und auch Steinbach weinte still, so daß ihm die Tränen immer über die Wangen rannten und sich mit den ihrigen vereinten.
    All das Herzeleid, welches das schöne Mädchen bisher im stillen ertragen hatte, aller Kummer und Gram, den sie tief in ihre Seele verschlossen, das ganze Elend, das sie, ohne es zu zeigen, gefühlt und erduldet hatte, es stieg jetzt, in diesem Augenblick empor, um sich in den rinnenden Tränen den endlichen Ausweg zu suchen.
    Nach und nach aber milderte sich der Ausbruch dieser Empfindungen, und dann hing Gökala bewegungslos in Steinbachs starken Armen, als ob mit den heißen Tränen nicht nur ihr Schmerz, sondern auch ihr Leben entflohen sei.
    Er aber preßte sie an sich, und ihre Lippen fanden sich und verschmolzen in einen langen, langen Kuß. Dann nahm er ihr Köpfchen zwischen beide Hände, hielt es von sich ab und sagte:
    „Gökala, bist du es denn auch? Bist du es wirklich? Irre ich mich nicht?“
    „Es ist kein Irrtum. Ich bin es“, nickte sie, selig lächelnd.
    „Fast kann ich es nicht glauben. Dieser böse, wunderliche Sam! Er hat mir verschwiegen, wen ich hier finden würde, und sagte, daß der Fürst der Tungusen mich hier sprechen wolle.“
    „Und nun zürnst du ihm wohl dafür?“
    „Zürnen? O nein! Er hat ja nur beabsichtigt, uns beiden eine so große, glückliche Überraschung zu bereiten. Und seine Absicht ist ihm vortrefflich gelungen. Nicht wahr, meine Gökala?“
    „Vielleicht besser, als er es erwartet hatte. Ist er ein Diener von dir?“
    „Nein, sondern mein Freund.“
    „Wer ist er denn eigentlich?“
    „Er ist nur ein einfacher Mann, ein geborener Deutscher, der später in Amerika Präriejäger wurde. Aber er hat mit mir gekämpft, mich durch manches gefährliche Abenteuer begleitet, und ich verdanke ihm mein Leben mehr als nur ein einziges Mal.“
    „Und mir ist er erschienen, wie ein sehr bedeutender Charakter. Sein ganzes Auftreten hier zeugte von einer Sicherheit, wie sie nur Leuten eigen ist, die sich in einer hervorragenden Stellung befinden und gewohnt sind, Befehle zu erteilen, denen man unbedingt zu gehorchen hat.“
    Steinbach lachte fröhlich auf.
    „Ist er in dieser Weise aufgetreten? Ja, das traue ich ihm zu. Das hat er gelernt. Er ist in einer vortrefflichen Schule gewesen.“
    „Wohl in der deinigen?“
    „Nun, eigentlich ist das Leben ihm zur Schule geworden. Es hat ihn selbständig gemacht und ihm ein großes, unerschütterliches Selbstvertrauen gegeben. Den letzten Unterricht allerdings hat er von mir erhalten.“
    „Wo?“
    „In Amerika.“
    „So warst du da drüben, mein Geliebter?“
    „Ja, lange Monate, gleich nachdem ich von meinem Ritt in die Wüste zurückkehrte und deine Zeilen erhielt, die mich so unglücklich machten.“
    „Ich war gezwungen, sie zu schreiben.“
    „Wer zwang dich dazu? Der Graf?“
    „Nein. Der Zwang war ein anderer. Er ging von meinem Inneren aus. Er war ganz derselbe, der mir in Konstantinopel die

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