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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verschwimmenden Lichtschimmer.
    „Wer arbeitet da drin?“ fragte er den Gefangenen.
    „Mercedes.“
    „Also ein Mädchen. Wie alt ist sie?“
    „Vierundzwanzig Jahre.“
    „Wie lange befindet sie sich schon hier?“
    „Zwei Jahre.“
    „Ohne an die freie Luft gekommen zu sein?“
    „Señor Roulin erlaubt das nicht!“
    „Fürchterlich! Zwei Jahre lang in diesem Loch zu stecken, ohne Luft, ohne Sonne, ohne den Unterschied zwischen Tag und Nacht zu kennen! Das ist das Fegefeuer; das ist die Hölle!“
    Steinbach glaubte das beklagenswerte Mädchen mit seiner Stimme erreichen zu können. Darum rief er möglichst laut ihren Namen in die niedrige Öffnung hinein. Als er nun horchte, hörte er einen dumpfen Laut als Antwort.
    „Kommt heraus!“ rief er weiter, da bemerkte er, daß der Lichtschein sich näherte.
    „Sie kommt“, sagte er, sich erhebend.
    Ja, die Unglückliche kam, aber langsam, erst nach einiger Zeit und in verkehrter Stellung, mit den Beinen zuerst, da sie in dem engen Ort sich nicht hatte umdrehen können. Als sie sich dann müde aufrichtete, bot sich den beiden Männern ein Anblick, der ihnen die Tränen in die Augen trieb.
    Das Mädchen war nackt, nur mit einem ledernen Schurz bekleidet. Ihre Glieder waren zum Entsetzen abgemagert. Das Gesicht machte den Eindruck eines Totenkopfes, aus dessen Höhlen die Augen glanzlos blickten.
    Sie starrte die drei Männer an und flüsterte dabei:
    „Habt Erbarmen! Ich kann nichts dafür!“
    „Wofür?“ fragte Steinbach mit stockender Stimme, da ihm die schlechte Luft den Atem nahm.
    „Ich habe mein Maß nicht voll. Ich bin zu matt. Ich kann vor Durst nicht mehr.“
    „Mein Gott, mein Gott! Zwei Jahre sind imstande, aus einem Menschen so ein Bild zu machen!“
    „Zwei Jahre? Ich bin länger hier, viel länger.“
    „Nein. Ihr irrt Euch.“
    „Ich irre mich nicht. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt, als man mich band und hier herunterschleppte. Ich habe keine Sonne gesehen; ich habe nicht gewußt, wann und ob ein Tag vorüber sei, aber dreißig Jahre bin ich wenigstens alt; acht Jahre habe ich sicher in dieser Höhle gesteckt. Gott, mein Gott! Laßt mich frei! Ich will euch ja nicht verraten! Ich werde keinem Menschen ein Wort sagen!“
    „Euer Wunsch ist erfüllt, Señorita. Ihr seid von diesem Augenblick an frei!“
    Die Unglückliche stierte Steinbach an, als ob sie etwas ganz und gar Unbegreifliches gehört habe.
    „Frei?“ sagte sie. „Señor, treibt keinen Scherz mit einer Elenden!“
    „Es ist mein Ernst.“
    „Ich glaube es Euch nicht. Hier herab kommen nur Teufel und Satane. Ihr lügt!“
    „Seht Euch diesen Mann an! Kennt Ihr ihn?“
    „Unser Peiniger!“ antwortete sie, auf Juanito blickend.
    „Nun, Ihr bemerkt doch, daß er gefesselt ist! Er ist unser Gefangener. Wir sind gekommen, um alle zu befreien, die sich hier befinden.“
    „Ihr – alle – frei – frrr –!“
    Das bedauernswerte Geschöpf konnte nicht weitersprechen. Es fuhr sich mit den zusammengefesselten Händen nach dem Herzen, holte tief, tief Atem und glitt dann ohnmächtig auf den Boden nieder.
    „Sie stirbt. Die Freude tötet sie!“ rief Günther.
    „Nein. Was sie fühlte, war keine Freude. Sie hat in ihrem Zustand den Gedanken, frei zu sein, gar nicht richtig ausdenken können. Es ist mehr die Erschöpfung als die Freude daran schuld.“
    Steinbach kniete zu der Ohnmächtigen nieder und zog eine Flasche aus der Tasche, die er vorhin in der Küche zu sich gesteckt hatte. Als die kühlenden Tropfen zwischen die Lippen drangen, öffnete sie die Augen und sog das erquickende Naß mit Begierde ein.
    „Habt Dank!“ flüsterte sie.
    „Trinkt, trinkt! Ihr dürft nicht wieder bewußtlos werden. Ich brauche Euch.“
    „Wozu?“ fragte sie matt.
    „Ihr sollt die anderen aus den Löchern holen. Wir können nicht hinein.“
    „Die anderen?“
    Sie sah mit irrem Blicke von Steinbach zu Günther hinüber. Doch gewann dieser Blick bald einen anderen Ausdruck. Es kam Leben in die Augen.
    „Die anderen soll ich holen?“ fragte sie.
    „Ja. Könnt Ihr zu ihnen?“
    „So ist es wahr, was Ihr sagtet? Ich soll frei sein?“
    „Ja, Ihr und auch alle anderen.“
    Da richtete das Mädchen sich in eine sitzende Stellung auf, legte die gefesselten Hände an sein Gesicht und begann, laut und herzzerbrechend zu schluchzen.
    Steinbach störte es nicht; er weinte mit. Auch Langendorff trocknete sich die Augen. Sein Blick fiel dabei auf Juanito, der an der Wand lehnte und

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