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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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regungslos vor sich niederblickte. Es war ihm keine Rührung anzusehen.
    Nach mehreren Minuten nahm Mercedes die Hände wieder vom Gesicht weg, richtete die Augen mit unbeschreiblichem Ausdruck auf Steinbach und sagte:
    „Señores, ihr kommt als Engel zu uns! Für den jetzigen Augenblick wird euch Gott alles, alles vergeben, selbst wenn ihr tausende der ärgsten Sünden begangen hättet. Wie aber kommt es, daß Roulin einverstanden ist?“
    „Er weiß nichts. Wir befreien Euch in seiner Abwesenheit.“
    „Desto größer ist der Dank, den ich euch schulde. Dieser Roulin ist viel schlimmer als der Satan. Wie konnte ich doch seinen Worten glauben!“
    „Er hat Euch betrogen?“
    „Mich wie alle anderen. Er mietete mich in San Franzisco als Wirtschafterin. Dann, als ich ihm hierher gefolgt war, sprach er von Liebe; ich sollte seine Frau werden. Ich zweifelte nicht an der Wahrheit seiner Worte; die Folge seht ihr ja. Könnt ihr euch denken, was wir hier dulden? Könnt ihr euch ausmalen, was wir zu leiden haben? Reue, Haß, Verzweiflung fressen in unserem Hirn; das Quecksilber wütet in unseren Leibern; wir verfaulen lebendig. Der Hunger frißt an unserem Leben, und der Durst dörrt unser Blut. Wenn wir zu schwach sind, unser Pensum fertigzubringen, wird unsere Haut von der Peitsche zerfetzt, und warum? Was haben wir verschuldet? Ich habe zu Gott gebetet; es half nichts. Ich habe geflucht und gelästert; es half auch nichts. Dann bin ich still geworden, still, aber nicht etwa aus Ergebung, sondern weil ich nicht mehr die Kraft hatte, zu beten oder zu fluchen. Hätten diese Menschen uns getötet, schnell, mit einer Kugel, mit einem mitleidigen Messerstich, so wären wir tot gewesen, und unsere Seelen hätten bei Gott für unsere Mörder um Mitleid gefleht, denn wir hätten sie doch noch zu den menschlichen Wesen rechnen können. So aber werden wir langsam zu Tode gemartert. Jeder einzelne Augenblick wird uns zu einem endlosen Todestag. Wir wissen und fühlen, daß wir sterben; wir ersehnen den Tod; er streckt seine Hand immer, immer nach uns aus; aber wenn wir glauben, daß er uns ergreifen und endlich Erlösung bringen werde, weicht er wieder zurück und zeigt uns in fürchterlicher Entfernung seine hohnlächelnde Fratze. Seht hier diese Kästen. Neben jedem Loch steht einer. Sobald dieser Mensch hier, der sich Juanito nennt, der aber Beelzebub heißen sollte, zu uns in den Schacht kommt, muß eine Jede ihren Kasten gefüllt haben, sonst erhält sie die Peitsche anstatt des Wassers, das unseren ausgetrockneten Mund erfrischen, unsere fiebernden Glieder kühlen sollte. Ich bin – oh – oh, mein Gott!“
    Die Unglückliche wurde von einem außerordentlich heftigen und beängstigenden Hustenanfall unterbrochen.
    Steinbach war zu ihr niedergekniet und hatte ihren Kopf, um den die langen Haare wirr und verfilzt hingen, in seinen Arm genommen. Jetzt blickte sie ihn matt und lächelnd an und flüsterte:
    „Mir ist jetzt leicht. O Gott, so wohl wie jetzt ist es mir lange, lange nicht gewesen. Aber, sagtet Ihr nicht, daß ich die anderen holen solle? Ich vergesse sie und denke nur an mich!“
    „Wie viele befinden sich hier?“
    „Wir sind hier vier; aber hinter jener Tür sind noch andere, wie wir vermuten. Gesehen haben wir sie nicht.“
    „So holt diese drei! Vorher aber will ich Euch Eure Fesseln abnehmen!“
    Steinbach hatte den dazu nötigen Schlüssel bei sich. Er hatte ihn in Juanitos Stube gefunden, als er diesem die eigenen Fesseln anlegte. Er schloß auf und nahm dem armen Mädchen die Hand- und Fußschellen ab.
    Sie verschwand nun in dem nächsten Loch, um dann auch noch in zwei andere zu kriechen. Bald kamen ihre drei Leidensgefährtinnen zum Vorschein. Auch sie trugen nichts als nur den Lederschurz. Die Kleidungsstücke, die sie noch besessen hatten, waren ihnen ja vom Leibe gefault. Sie boten einen womöglich noch gräßlicheren Anblick als Mercedes, denn sie befanden sich noch länger als diese an dem schauervollen Ort.
    Der Eindruck, den die Botschaft, daß sie frei seien, auf sie machte, läßt sich gar nicht beschreiben. Steinbach mußte alles aufbieten, sie zum Schweigen zu bringen. Es hätte ja der Zeit von Wochen bedurft, um anzuhören, was sie alles erduldet hatten. Er aber hatte nicht einmal Stunden zu verschenken.
    Nachdem er sie von ihren Fesseln befreit hatte, wies er sie an, auf ihn zu warten, und öffnete die nächste Tür. Hier arbeiteten noch zwei weibliche Wesen, ein Mädchen, namens

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