54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
sogleich eine Antwort; dann aber hörte er das leise Geständnis erklingen:
„Ich dachte es damals.“
„Du dachtest es nur? Du hast dich also geirrt?“
„Ja.“
„So war es nicht die richtige, wirkliche Liebe?“
„Nein. Er war so zart, so gut, so rücksichtsvoll mit mir, ganz anders als andere, und ich gewann ihn auch lieb und glaubte, das sei die rechte Liebe eines Weibes zu ihrem Mann. Aber ich bin damals nicht mit meinem Herzen zu Rate gegangen. Ich habe mich nicht gefragt, ob meine Zuneigung auch wirklich Liebe sei, und mich für gebunden gehalten, als er mir versprach, daß ich sein Weib werden sollte, und es als ein Vergehen gegen die schuldige Treue erachtet, überhaupt eine solche Frage auch nur auszudenken. Aber die Erkenntnis ist mir dann doch gekommen, ganz von selbst und ohne daß ich nach ihr strebte. Ich war Georg zwar gut, herzlich gut, aber nur so, wie eine Schwester dem Bruder ihre Zuneigung schenkt.“
Das war eine große Aufrichtigkeit, über die Hermann sich außerordentlich glücklich fühlte. Es wogte ihn ihm, als ob er eine bewegte Flut in seinem Herzen berge.
„Zykyma, erinnerst du dich noch unseres ersten Zusammentreffens?“ fragte er mit leiser, bebender Stimme.
„Ja“, gestand sie. „Es war im Bazar zu Konstantinopel, bei dem Händler.“
„O nein! Wir sahen uns schon früher, draußen im Tal der süßen Gewässer. Solltest du dich nicht auch erinnern? Ich war nach dem Tal spazierengegangen. Ich war fremd und wußte nicht, daß es ein Lustort für Frauen sei, die ein Mann nicht anblicken dürfe. Ich stand hinter Bäumen und lauschte eurem Spiel. Da sah ich dich. Du warst die Schönste von allen, und weißt du noch, als die Ochsen an deinem Wagen scheu wurden und ich ihnen in die Zügel fiel? Du gabst mir deine Hand. Ich sah einen Diamanten an deinem Finger glänzen und erkannte dich an diesem Stein. Und dann entführten wir dich, dich und Tschita. Und da war es, wo ich erfuhr, daß du einen anderen in dein Herz geschlossen habest.“
„Bitte schweigen wir davon!“
„Ja, schweigen wir, Zykyma. Ich mag nicht an jene Stunde denken, in der so vieles und so herrliches Hoffen in mir vernichtet wurde. Mein Herz hat seit jener Zeit eine schwere, schwere Last getragen und wird sie auch weiter tragen. Das deinige aber will ich dir erleichtern. Du brauchst vor Georg nicht zu fliehen. Er wird dich nicht an das ihm gegebene Wort erinnern. Ich bin so glücklich, dir versichern zu können, daß auch er dich nur wie ein Bruder geliebt hat.“
„Ist's möglich? Ist's wahr?“
„Ja. Mag er auch längere Zeit geglaubt haben, daß er an dich gebunden sei, so hat er doch den Irrtum seines Herzens eingesehen und die alten Fesseln zerrissen. Er ist verlobt und wird, wie in der Depesche steht, seine Braut mitbringen.“
„Gott sei Lob und Dank! Ich bin frei, frei!“
Zykyma jubelte diese Worte laut hinaus und wollte sich erheben. Er aber hielt sie zurück, indem er abermals ihre Hand ergriff.
„Bleib noch einige Augenblicke, Zykyma. Ich weiß nun zu meiner Freude, daß du dich damals betreffs Georg geirrt hast. Ich möcht jetzt gern auch noch etwas anderes erfahren. Ich möchte wissen, ob du dich damals auch in Beziehung auf mich geirrt hast.“
„Das kann ich nicht sagen.“
„Wenn ich dich nun recht herzlich darum bitte?“
„Auch dann nicht.“
„Du böses, böses Mädchen! Fühlst du denn nicht gerade jetzt selbst, wie glücklich es macht, Klarheit über sein Herz zu besitzen? Warum willst du mir dieselbe versagen? Du bist grausam! Oh, sage es mir! Liebst du mich?“
„Ja“, erklang es zitternd.
„Gott, mein Gott! Also doch! So war all das bisherige Herzeleid umsonst!“
Er drückte Zykyma innig an sich und küßte sie auf das weiche, duftende Haar.
„Zykyma, meine Zykyma, sage es noch einmal! Du hast mich damals dennoch geliebt?“
„Von ganzem Herzen“, gestand sie ein. „Von dem Augenblicke an, wo ich dich an dem Wagen sah. Wenn du wüßtest, wie unglücklich ich war! Mein ganzes Herz gehörte dir. Ich mußte dich täglich und stündlich sehen, ohne dich ahnen lassen zu dürfen, daß ich nur bei dir glücklich zu sein vermag!“
„So segne Gott meinen Bruder, daß er sein Herz einer anderen schenkte!“
„Und auch diese andere, denn durch ihre Liebe bin ich von der Verzweiflung gerettet worden. Oh, nun ist alles, alles gut, mein lieber, lieber Hermann. Ich werde unendlich glücklich sein.“
Sie hielten sich innig umschlungen und ahnten nicht,
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