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56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

Titel: 56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ende. Nach wenigen Augenblicken werde ich zu Staub geworden sein.“
    „Soll ich dein Grab verlassen?“
    „Ja. Mein Segen und mein Geist werden bei dir sein! Und nun, Arthur, mein Sohn, hast du meine Beichte vernommen. Dein Vater liegt vor dir, seine Seele steht unter Tränen bitterer und lange verborgener Reue, und sein Herz schreit auf nach einem Wort der Vergebung. Da droben strahlen Gottes Sterne; sie leuchten Liebe und Barmherzigkeit herab. Du kennst mein Tun. Verdamme oder begnadige mich, wie dir es der Allwissende eingibt jetzt in der Stunde, welche die letzte meines Lebens ist. Ich habe zu viel gesprochen, ich bin müde zum ewigen Schlaf. Bereits werden die Beine kalt und starr. Vielleicht ist in wenigen Augenblicken das Ohr nicht mehr offen, um deinen Richterspruch zu hören.“
    Er faltete die Hände. So wartete er auf das Wort, welches er aus dem Mund des Sohns ersehnte. Dieser schluchzte laut vor Schmerz und umschlang den sterbenden Vater mit beiden Armen.
    „Mein Vater, o mein Vater!“, meinte er. „Will Gott dich wirklich von mir nehmen, sollen wir wirklich scheiden, so habe Dank für deine tausendfältige Liebe und für dein treues Sorgen! Ich wollte, ich könnte mit dir sterben!“
    „Keinen Dank!“ antwortete der Alte. „Den Richterspruch!“
    „Gott ist die Liebe, mein Vater. Er zürnt dir nicht, sondern er hat dir vergeben.“
    „Und du, Arthur?“
    „Auch ich. Mein Schmerz um dein Scheiden ist unsäglich, aber der Wunsch, alle Schuld von dir zu nehmen, ist noch tausendfältig größer. Gehe getrost aus dieser Welt, da oben wird es keinen Vorwurf für dich geben.“
    Da entflog dem Mund des Sterbenden ein langer, tiefer Seufzer unendlicher Erleichterung. Man sah beim Schein der Sterne, daß sich ein seliges Lächeln über sein Antlitz breitete.
    „Ich danke dir, mein Sohn, oh, ich danke dir!“, sagte er langsam und mit Anstrengung. „Nun sterbe ich ruhig, denn ich habe Barmherzigkeit gefunden. Grabe in der Hütte unter meinem Lager nach. Dort findest du wohl verwahrt das Kleidchen, welches du in Marseille trugst, meine Aufzeichnungen, welche dich legitimieren werden, den Schmuck und den Rest des Geldes, welches ich raubte. Gehe damit nach Jeannette und siehe, ob du dort Gnade findest, so wie ich sie bei dir gefunden habe.“
    Der Sohn hielt den Vater noch immer fest umschlungen. Er küßte ihn auf den bleichen, bereits erkaltenden Mund und fragte unter strömenden Tränen:
    „Ist's wahr, ist's denn wirklich wahr, daß du sterben mußt?“
    „Ja, mein Sohn, mein lieber, lieber Sohn. Und wenn ich tot bin, so lege mich in die Hütte und maure, ehe du gehst, den Eingang zu. Nur oben laß gegen Osten eine kleine Öffnung, damit täglich ein Strahl der aufgehenden Sonne in das Grab des Mannes falle, dessen Leben von so wenigen Strahlen erwärmt und erleuchtet wurde.“
    „Ich werde es tun! Ja, mein Vater, ich werde es tun.“
    „Und noch den letzten Wunsch, mein Kind. – Bereits kann ich – kaum mehr sprechen, du hast vorhin ein Lied gebetet. Jetzt – das Lied noch von – Leben und vom Ende.“
    „Ja, mein guter, mein lieber Vater!“
    „Richte mich auf! Lehne – meinen Rücken höher – an die Hütte, damit ich – noch einmal den Sternenhorizont – überschaue.“
    Unter strömenden Tränen tat Arthur ihm den Willen. Sodann kniete er nieder und faltete die Hände. Er unterdrückte mit aller Anstrengung das Schluchzen und betete mit lauter, zitternder Stimme:
    „Bedeckt mit deinem Segen
Eil' ich der Ruh' entgegen;
dein Name sei gepreist.
Mein Leben und mein Ende
Ist dein. In deine Hände
Befehl ich, Vater, meinen Geist!“
    Die Worte klangen laut zu den Wipfeln der Bäume empor und von der Bergeshöhe hinab. Es war ein christliches Sterbegebet inmitten eines durchaus mohammedanischen Landes.
    „A – – – men!“ hauchte es von der Mauer herüber.
    Dann war es still. Der Beter regte sich nicht. Arthur wartete, daß der Vater ihn rufen, noch ein Wort, ein einziges Wort sagen solle – vergebens! Da endlich erhob er sich und trat zu ihm. Er bückte sich zu ihm nieder.
    „Vater, lieber Vater!“
    Keine Antwort.
    „Schläfst du, Vater?“
    Auch jetzt erhielt er keine Antwort. Da nahm er die Hände des Entschlafenen leise und behutsam in die seinigen. Sie hatten noch eine Spur von Lebenswärme, wurden aber bald völlig kalt.
    „Gott, mein Gott, ist er wirklich tot, tot, tot?“
    Die beiden Lauscher hörten das schnelle Rauschen eines Gewandes. Der Sohn fühlte

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