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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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versagt geblieben, ihn haben sie ja schon bei der Gendarmerieblasmusikkapelle abgelehnt, weil er angeblich schwierig vom Charakter her war:
    „Du kannst keine schwere Tuba blasen, weil dir nach allem, was ich mit freiem Auge sehe, die in der saftigen Heimat vorgeschriebene Mutterbrust gefehlt hat!“, hat der Gendarmerieblasmusikkapellen-Doktor festgestellt. „Und wegen der fehlenden Mutterbrust fehlt dir das Kalzium in den Knochen und der Halt im Leben, und ohne Halt im Leben kannst du natürlich unmöglich eine schwere Tuba tragen, da kippst du ja sofort aus den Schuhen!“
    „Und eine kleine Flöte?“
    „Abtreten!“
    Während die anderen dann die schwere Tuba und das Jagdhorn getragen und geblasen haben, hat der Biermösel im Schlafsaal unter der Decke halt mit seiner kleinen Flöte gespielt, und während er mit seiner kleinen Flöte gespielt hat, hat er an seine Mutti und an ihre Dutteln gedacht, bis die kleine Flöte schön weiß gespritzt hat wie eine frisch geöffnete Weizenbierflasche, heilige Scheiße! Aber an wen hätte er denn sonst denken sollen, er hat ja damals wie heute keine anderen Weiber mit Dutteln gekannt außer seine Mutti und seine Schwester, an die er auch öfter gedacht hat, aber die Erinnerungen an seine Mutti waren und sind natürlich süßer, und hoppala! Fast spritzt seine Flöte noch einmal, aber natürlich spritzt sie in seinem Alter nur fast.
    So schlecht er also in der Gendarmerieschule im „Tragen einer Tuba“ war, so unerreicht war er in „Ausharren und Standhaftbleiben im stärksten Scheinwerferlicht der Verhörspezialisten“. Erst wenn er mit beiden Schuhen im Ofen steht und ihm die Dackelohren als verbrannte Fetzen hinunterhängen und er die Haare als brennenden Dornbusch am Schädel trägt, dann erst ist der Biermösel halbwegs zufrieden mit der vorherrschenden Wetterlage.
    Zum geborenen Südländer aber, der er heute ist, hat auch er sich erst entwickeln müssen:
    „Wie iste dir gelungen große Kunstestucke?“, hat der Doktor Krisper neulich wieder einmal seine Nase in seine tiefste Wunde hineingesteckt, nachdem sie den Notfallplan für das Humtata-Wochenende besprochen haben und sich ihm – weil ein Patient für immer ausgefallen ist – noch ein Zeitloch aufgetan hat. Und so hat sich der zunächst harmlose Landarzttermin wieder zu einer Psychopathen-Sitzung ausgewachsen, während der sich aber der Doktor Kripser auf die Couch gelegt hat, weil es ihm zu heiß geworden ist, während der Feuerspender Biermösel die ganze Zeit aufrecht beim Fenster gestanden ist.
    „Also erzähl!“
    „Na pass auf!“, hat der Biermösel dann angefangen zu erzählen, was ihm seit Kindestagen am gebrochenen Herzen liegt. „Wenn der Alte Nachtdienst um Nachtdienst geschoben hat oder wieder einmal für ein paar Tage mit seinem Zuchteber Archie in der Beiwagenmaschine zur nächsten Landwirtschaftsmesse gefahren ist, dann hat mich die Biermösel-Mutti nicht zu sich ins Bett geholt und mich liebgehabt, sondern sie hat mich in die Selchkammer hineingesperrt, und zwar mit einer Kiste Bier gegen die Einsamkeit und einer zweiten gegen den Flüssigkeitsverlust!“
    „heilige Maria!“
    „Bis zum Gabelfrühstück hat sie mich dann nicht mehr her­ausgeholt, weil sie die ganze Nacht lang auf dem Wirthaustisch getanzt hat und von Schonnson damur und Schonns elisee geträumt hat und vom Schonn Gabönn!“, erzählt der Biermösel mit sehnsuchtsvollen Augen, und der Doktor Krisper kann ihn nur mit einem „Schonnn gut!“ trösten, „ist ja schonnnn gut!“
    „Was dem Alten seine Schweinderl im Stall drinnen und das Kraut unten im Bottich waren, das war der Alten das gerne geschwungene sulzige Tanzbein zu Hause am Wirtshaustisch oder gerne auch auf den Tanzveranstaltungen in den Bierzelten der saftigen Heimat. Gegen das dunkle Gemüt vom Alten hat sie ihren unzähmbaren Bewegungsdrang gestellt, und gegen seine Fliegenfischerei ihre Tanzwut, wegen der sie sogar ihren Duttelhalter verbrannt hat, als Erste überhaupt weltweit, weil der Duttelhalter beim Tanzen natürlich nur gestört hat.
    „Revolutionär!“
    „Du mich auch!“
    In der Selchkammer drinnen hat der Biermösel dann weiß Gott Zeit genug gehabt, dass er sich an die Hitze gewöhnt, während die Alte draußen am Tisch die Amerikaner und Engländer mit ihren Tanzeinlagen unterhalten hat, und leider war halt irgendwann auch ein Franzose dabei, der ihr mit seinem Dackelblick zugeschaut hat, wie sie sich schwarz angemalt und aus gelben

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