60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
der Lampe und hatte das Bild des Geliebten in den Händen. Der Rahmen war Tausende wert, aber das Bild war ihr doch noch tausendmal teurer!
FÜNFTES KAPITEL
Unschuldig im Gefängnis
Am anderen Vormittag hielt ein prächtiger Schlitten vor dem Palais des Barons von Helfenstein. Der Fürst stieg aus und begab sich in das Innere.
„Die Frau Baronin bereits zu sprechen?“ fragte er den Diener, indem er ihm seine Karte überreichte.
Der dienstbare Geist warf einen Blick auf die Krone und die Buchstaben, verbeugte sich dann so tief, daß er mit der Nase beinahe den Boden erreichte, und antwortete:
„Werde sofort Meldung machen. Treten Euer Durchlaucht einstweilen gütigst hier ein!“
Er begab sich schleunigst nach dem Vorzimmer der Baronin, wo er die Zofe fand.
„Milda, Donnerwetter, ist deine Gnädige schon auf?“ fragte er in einem Ton, als ob er ein außerordentliches, unbegreifliches Ereignis zu berichten habe.
„Nein! Warum denn?“
„Der Fürst von Befour, der eine ganze Milliarde im Vermögen hat, will zu ihr!“
„O weh! Sie liegt noch im Bett! Was machen wir?“
„So einen Kavalier kann man nicht fortschicken!“
„Ist denn bereits Visitenstunde?“
„Natürlich! Schon seit einer halben Stunde, ihr verschlafenes Volk!“
„Ich kann aber nicht hinein zu ihr!“
„Warum nicht?“
„Der Herr trinkt die Schokolade bei ihr!“
„Der Teufel hole den Herrn, die Madame, die Schokolade und dich! Was muß der Fürst von mir denken, wenn ich ihn so lange warten lasse! Wo bleiben dann die Trinkgelder, he?“
„Bleib da! Ich will es versuchen!“
Sie klopfte und trat ein.
Der Baron hatte sich allerdings in das Schlafzimmer seiner Frau begeben, um ihr über seine gestrigen Erlebnisse zu berichten, denn sie hatte ihr Wort nicht gehalten und sich früher zur Ruhe begeben, als er nach Hause gekommen war.
Als er eintrat, war sie soeben erst aufgewacht.
„Guten Morgen!“ grüßte er im gleichgültigen Ton eines Mannes, der eine saure Pflicht zu erfüllen hat.
Sie fand gar keine Zeit, seinen Gruß zu erwidern. Ihr erstes Wort war ein Ausruf des Schreckes:
„Herrjeses, wie siehst du aus, Mann!“
„Ich? Inwiefern?“
„Hast du denn noch nicht in den Spiegel gesehen?“
„Freilich, doch!“
„Nun, was ist das mit deinem Auge?“
„Das geschah heute nacht in der Bibliothek. Ich suchte noch nach einem Buch. Da stürzte ein Foliant von oben herab und mit der Ecke mir gerade auf das Auge.“
Sie lächelte ihm merkwürdig maliziös zu und sagte:
„Armer Teufel! Es soll auch Fäuste geben, welche die Kraft und das Gewicht von zehn Folianten besitzen. Doch setz dich! Hier hat das Mädchen bereits die Schokolade serviert. Erzähle, wie euer gestriges Unternehmen geendet hat!“
In diesem Augenblick trat die Zofe ein.
„Der Herr Fürst von Befour wünscht die gnädige Frau Baronin zu sprechen.“
„Ah!“ meinte die Genannte. „Wir saßen gestern miteinander zur Tafel. Welche Aufmerksamkeit. Er kommt, sich nach meinem Befinden zu erkundigen.“
„Hm! Aber hier kannst du ihn doch nicht empfangen!“ warf der Baron ein.
„Tölpel!“ flüsterte sie ihm zu. Und sich an die Zofe wendend, befahl sie derselben: „Sage dem Diener, daß ich in einer Minute zur Verfügung bin, doch möge Durchlaucht entschuldigen, daß ich Hochdieselbe in italienischer Weise empfange. Du aber kommst sofort wieder, um das Bett zu ordnen.“
Das Mädchen trat hinaus und meinte zum Lakaien:
„In einer Minute ist Madame bereit. Durchlaucht sollen entschuldigen, daß Hochdieselben in italienischer Weise empfangen werden.“
„Kreuzelement! Was heißt das, in italienischer Weise?“
„Im Bett, Dummkopf!“
„Hm! Da lobe ich mir freilich Italien!“
Er trat ab. Als er den Fürsten brachte, stand die Zofe bereit und öffnete die Tür. Die Baronin lag in malerischer Stellung auf dem Ruhebett und lächelte dem Eintretenden verbindlich entgegen. Der Baron stand bei ihr und verbeugte sich tief vor ihm.
„Verzeihung, meine Gnädige, daß die Sehnsucht, eine süße Pflicht zu erfüllen, mich nicht länger warten ließ!“ sagte der Fürst, die ihm entgegengestreckte Hand ergreifend, um sie zu küssen.
„Eine Auszeichnung, wie die gegenwärtige, empfängt man nie zu früh!“ antwortete sie. „Mein Gemahl, der Baron, Durchlaucht! Heute leider infolge eines kleinen Unfalls ein wenig indisponibel.“
Der Fürst verbeugte sich. Der Baron hielt es für geraten, seine Verletzung zu entschuldigen:
„Das
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