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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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grauhaarigen Mütterchens erkennen.
    „Was wollen Sie?“ fragte sie.
    „Ich will zum Fürsten.“
    „Ich verstehe Sie nicht. Ich kenne keinen Fürsten.“
    „Ich meine den Fürsten des Elends.“
    „Von dem habe ich wohl sprechen hören, aber den kennt ja kein Mensch. Wer sind Sie, lieber Mann?“
    „Ich bin ein Diener dessen, den ich suche.“
    „Hm!“ machte sie nachdenklich. „Ich gestehe, daß mir das alles fremd vorkommt. Ich werde Ihnen doch lieber meinen Mann senden.“
    Sie ließ die Lampe im Flur stehen und trat in ein einfach möbliertes, aber ungemein schmuck und sauber gehaltenes Zimmer. Da saß ein ehrwürdiger Greis am Tisch. Sein Gesicht wurde von einem eisgrauen, martialischen Bart umflossen, so dicht und grau, wie auch sein Haupthaar war. Er trug in diesem Augenblick eine Brille auf der Adlernase und las in einem illustrierten Buch. Es war eine eingebundene Jagdzeitung mit Abbildungen von Tieren, Geräten und Szenen, welche sich auf das edle Waidwerk beziehen. Er blickte von dem Buch auf und fragte:
    „Wer war es?“
    „Es will einer zu unserem Gustav, zum Fürsten.“
    „Ah! Zu welchen Fürsten?“
    „Des Elends.“
    „Hat er das Stichwort gegeben?“
    „Nein.“
    „Hm! So muß ich selbst nachsehen. Es muß notwendig sein.“
    Er erhob sich und begab sich hinaus. Dort ließ er den Schein der Lampe auf den Schlosser fallen und fragte:
    „Wer hat Sie zu uns geschickt?“
    „Er selbst.“
    „Wer? Ich begreife Sie nicht. Ist Ihnen kein besonderes Wort gesagt worden?“
    „Nein.“
    „Hm!“ dachte der Alte. „So ist es ein Neuer, den er erst noch prüfen will.“
    Und laut fügte er hinzu:
    „Den, zu dem Sie wollen, kenne ich freilich nicht. Aber ich weiß einen, der oftmals von ihm spricht und Ihnen sicher Auskunft erteilen kann. Ist Ihre Angelegenheit notwendig?“
    „Notwendig und eilig.“
    „Was gilt es denn?“
    „Ein Verbrechen zu verhüten. In einigen Minuten ist es vielleicht bereits zu spät.“
    „Sapperlot! Da muß ich Ihnen allerdings den Ort nennen. Kennen Sie die Ufergasse?“
    „Ja.“
    „Da liegt die Wirtschaft der Madame Pauli?“
    „Ich weiß das.“
    „Begeben Sie sich schleunigst dorthin. Im Salon sitzt ein Mann mit rotem Bart und Haar; er heißt Brenner. An ihn wenden Sie sich. Er wird Ihnen sicher Auskunft erteilen.“
    „Ich danke.“
    Mit diesen Worten wandte sich der Schlosser ab und eilte davon. Die Ufergasse war bald erreicht und das Haus auch. Es war ein hohes, aber nicht sehr breites Gebäude, mit verhältnismäßig kleinen Fenstern, welche sämtlich mit dünnen weißen Vorhängen versehen waren. Die Tür war verschlossen. Der Schlosser klopfte leise, und sofort wurde geöffnet. Eine Frau stand da, welche den Ankömmling mit scharfen Blicken musterte.
    „Zu wem wollen Sie?“ fragte sie.
    „In den Salon.“
    Sie betrachtete ihn abermals und sagte dann mißlaunig:
    „Sind Sie heute wohlhabend?“
    „Mehr, als Sie denken.“
    Damit schob er sich an ihr vorüber und stieg die Treppe empor. Da oben trat er in ein reich ausgestattetes Zimmer, in welchem sich eine Anzahl junger Damen und Herren befanden. Von ihnen getrennt, saß ganz allein in einer Ecke ein Mann mit rotem Bart und Haar. Zu ihm wendete sich der Schlosser sofort.
    „Sind Sie Herr Brenner?“ fragte er leise.
    „Brenner ist allerdings mein Name“, antwortete der Gefragte langsam und in der Weise, in welcher Stotternde zu reden pflegen.
    „Kennen Sie den Fürsten des Elends?“
    „Ja.“
    „Ich bin –“
    „Schon gut! Ich kenne auch Sie!“
    „Was? Wie? Mich?“ flüsterte der Schlosser.
    „Ja. Sie haben dem Fürsten gestern abend einen großen Dienst geleistet.“
    „Das ist allerdings wahr.“
    „Und sich heute am Morgen die Belohnung dafür geholt.“
    „Auch das stimmt.“
    „Sie dachten da, in der Wohnung des Fürsten zu sein, haben sich aber geirrt. Er hat verschiedene Wohnungen, welche er je nach Gelegenheit und Bedarf benützt. Wer hat Sie an mich gewiesen?“
    „Zwei alte Leute, welche in der Siegesstraße wohnen.“
    „Schön! So muß Ihre Angelegenheit eine wichtige und auch eilige sein. Was wollen Sie?“
    „Ich muß unbedingt mit dem Fürsten sprechen.“
    „Das ist für heute nicht möglich.“
    „Welch ein Unglück!“
    „Ein Unglück? Vertrauen Sie mir die Angelegenheit. Ich bin zuweilen Stellvertreter des Fürsten, auf alle Fälle aber sein Vertrauter.“
    „Wenn das wirklich ist, so kann ich allerdings sprechen. Ist Ihnen ein Riese Bormann

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