60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
wollte Salomon Levi den Schein ausstellen, aber Judith meinte in entschiedenem Ton:
„Jetzt noch nicht! Mein Herr, wo wohnen Sie?“
„Wasserstraße Elf.“
„So nahe, so sehr nahe! Und ich wollte Sie im Orient suchen. Die Ihrigen werden Sorge haben. Gehen Sie jetzt! Aber in einer Stunde geben Sie mir die Ehre, mit mir das Abendbrot zu nehmen. Darf ich rechnen, daß ich damit keine Fehlbitte tue? Dann kann ja auch das Schriftliche unseres Geschäftes abgemacht werden.“
Er fühlte sich überwältigt von der Güte des schönen Mädchens. Er reichte ihr die Hand und versicherte: „Ich werde kommen, Fräulein, ganz gewiß, denn es ist mir ein Herzensbedürfnis, Ihnen zu zeigen, wie wohl mir Ihre Güte getan hat und wie dankbar ich Ihnen bin.“
„Und dürfen wir unterdessen Ihren Namen wissen?“
„Ich heiße Robert Bertram. Ich muß Ihnen den Namen sagen, denn mir Karten drucken zu lassen, bin ich zu arm gewesen.“
Sie lächelte ihm verheißungsvoll entgegen und sagte:
„Ein Dichter Ihrer Begabung kann unmöglich arm bleiben. Sie werden bald genug imstande sein, sich Karten anfertigen zu lassen. Übrigens besitzen Sie ja bereits die besten Empfehlungskarten, welche es nur geben kann. Ich meine nämlich Ihre ‚Heimats-, Tropen- und Wüstenbilder‘. Jede Familie, welche eins Ihrer Bücher besitzt, wird es sich zur Ehre rechnen, Sie unter Ihre Freunde zu zählen. Auch wir hoffen, dies tun zu dürfen. Darum bitte ich Sie, uns heute nicht lange warten zu lassen!“
Sie reichte ihm ihre Hand entgegen, welche er im Gefühl innigster Dankbarkeit an seine Lippen drückte. In ihren dunklen Augen leuchtete es auf in der Vorahnung des Sieges und der Befriedigung und ihr Blick hing noch an der Tür, als er bereits hinter derselben verschwunden war.
Die alte Rebekka hatte ihn hinausgeführt. Als sie wieder hereintrat, schüttelte sie den Kopf und sagte zur Tochter:
„Judithleben, was hast du gemacht für einen Streich! Wie kannst du reden und sprechen von Ehre, welche uns wird widerfahren, wenn er besucht unser Haus und unsere Zimmer! Wie kannst du ihn nur einladen, damit er wegißt das Abendbrot, welches bestimmt ist, zu ernähren uns drei!“
Da aber geschah etwas, was die Alte nicht für möglich gehalten hatte: Salomon Levi verteidigte seine Tochter. Er legte Rebekka die Hand auf die Achsel und sagte:
„Weib, sage mir, ob du weißt, was ein Dichter ist!“
„Ob ich das weiß? Ein Dichter ist ein Mann, welcher macht Reime, um zu verkaufen das Stück zu vier Kreuzer; das macht fünfzig Reime auf einen Gulden. Oder er schreibt Liebesbriefe für Hausknechte und Dienstmädchen, das Stück zu sechs bis acht Kreuzer.“
„Weib, was bist du dumm! Ein Dichter ist ein Mann, welcher im Leben erhungert das Geld zu dem Denkmal welches man ihm setzen wird nach seinem Tod, wo er nicht mehr braucht zu essen und zu trinken. Wer ihn unterstützt in seiner Armut, dessen Name wird mit eingehen in das Denkmal von Marmor und wird schimmern in goldenen Buchstaben, welche kosten herzustellen beinahe zwanzig Kreuzer das Stück.“
Sie blickte ganz erstaunt zu ihm auf und fragte:
„Salomonleben, ist's die Wahrheit, was du redest?“
„Die reine Wahrheit. Willst du nicht haben, daß unser Name wird ausgehauen in Marmor aus Carrara oder Namur?“
„Das will ich, ja, das will ich!“
„Und daß er soll glänzen in Gold zu solchem Preis das Stück?“
„Auch das will ich, wenn du mir kannst versichern, daß dabeistehen wird Rebekka, welches ist der Name, der mir gehört.“
„Es werden ausgemeißelt sein die Namen Salomon Levi, Rebekka und Judith als Retter des großen Dichters Robert Bertram, welcher hat gemacht Reime über die Heimat und sogar über die Wüste. Und was wird uns kosten dieser Ruhm –?“
„Geld, sehr viel Geld!“
„Nein, sehr wenig Geld. Judith wird ihm vorsetzen Brot, ein Stück Käse von Milch, welche ist gewesen abgerahmt, und einige Zehen Knoblauch, um zu begleiten mit Würze das Brot und den Käse. Was wird kosten die Geschichte? Einen Groschen fünf Pfennige oder neun Kreuzer.“
„Aber er wird dir wollen abborgen immer mehr Geld.“
„Diese Kette ist wert sechzig Taler. Habe ich ihm gegeben fünfzig, so hab ich noch immer gemacht ein gutes Geschäft. Und will er haben noch mehr Geld, so mag er bringen noch mehr solche Ketten.“
„Er wird keine mehr haben!“
„So wird er welche bekommen. Ein Dichter wie er erhält Ehrenketten von Fürsten und Potentaten, welche ihm nicht
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