60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
konnte. Als er dann wieder herbeitrat, hatte sein Gesicht einen ganz anderen Ausdruck bekommen. Er hustete einige Male und sagte dann:
„Was wird es sein? Ein Stein, welchen man nennt Jaspis oder Achat, wert in höchsten Fällen zehn bis fünfzehn Kreuzer.“
„So gib wieder her, Alter! Es gibt Leute, welche viel bessere Kenner sind als du!“
Er fuhr zurück und sagte:
„Soll es etwa sein kein Jaspis oder Achat? Wird es sein etwa Karneolenstein oder Bergkristall?“
„Mach dich nicht lächerlich! Ich will wissen, welchen Wert der Stein hat. Ich habe keine Zeit, mich von dir foppen zu lassen!“
„Gott Abrahams, ist der Herr rasch und von großer Hitze! Wissen Sie denn, was es ist für ein Steinchen?“
„Ein Diamant!“
Da streckte der Jude beide Hände in die Luft und rief:
„Soll mich leben lassen, Jehova, bis ich sterbe! Demant soll es sein? Ein Demantstein? Wie ist das möglich? Will der Herr aus mir machen einen Narren für sein Vergnügen?“
„Unsinn! Willst du ehrlich sein oder nicht? Du denkst, ich kenne dich nicht! Hier, lies!“
Sie zog ein Papier aus der Tasche und reichte es ihm hin. Er warf einen Blick darauf, und dieser einzige genügte.
„Die geheime Schrift! Gott Jakobs! So ist der Herr am Ende gar ein – ein – ein –“
„Nun, wer?“
„Ein Bekannter des Hauptmanns?“
„Ja, das bin ich! Also, nun weißt du, mit wem du es zu tun hast, und sei jetzt ehrlich! Was für ein Stein ist es?“
„Ein Demant, ja ein Demantstein!“
„Wieviel wert?“
„Dieser Stein wird kosten zu schleifen ein großes Geld!“
„Sapperment! Ich habe dich nicht gefragt, was er zu schleifen kostet, sondern welchen Wert er jetzt hat!“
„So will ich sagen, daß der Stein ist wert für den Kenner die Summe von sechstausend Gulden.“
„Zeige einmal!“
Sie tat, als ob sie den Stein nur betrachten wolle. Er gab ihn ihr zurück, während seine matten Augen vor Habgier leuchteten. Sie aber steckte den Diamant ein und sagte:
„Du bist nicht wert, daß man dir den geringsten Vorteil zuwendet, alter Schacherer! Gute Nacht!“
Sie drehte sich um, sich zu entfernen; aber da hatte er auch bereits ihren Arm erfaßt und rief:
„Halt! Warum wollen Sie fort? Warum wollen Sie sagen gute Nacht, da doch ein gutes Geschäft viel besser ist als eine gute Nacht! Bleiben Sie bei mir noch eine kleine Weile!“
„Wozu? Du bist unverschämt!“
„Ich werde sagen ganz aufrichtig den Wert des Steins. Zeigen Sie ihn mir her noch einmal!“
„Nein. Er bleibt in meiner Tasche. Du hast ihn gesehen und auch geprüft. Willst du ihn kaufen?“
„Wenn der Herr will annehmen Verstand, so werde ich vielleicht kaufen den Demantstein.“
„Gut! Wieviel bietest du?“
„Von wem ist er?“
„Mensch, was fällt dir ein? Sage, was du bietest. Ich gebe dir fünf Minuten Zeit. Sind wir bis dahin nicht einig, so wird überhaupt nichts aus dem Handel!“
„Fünf Minuten! Wie können fünf Minuten ausreichen, um zu kaufen einen Demantstein! Dazu muß man doch haben Tage, Wochen und Jahre!“
„Gute Nacht!“
Sie wendete sich wieder nach der Tür; er aber ergriff sie abermals beim Arm.
„Halt!“ rief er. „Sprechen Sie zu mir ein Wörtchen im Vertrauen. Wieviel wollen Sie haben für den Stein?“
„Hundertfünfzigtausend Gulden.“
Der Jude tat einen Sprung in die Luft, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schrie, als wenn er am Spieße stäke:
„Hundert –“
„Fünfzig –“, nickte sie.
„Tausend –“
„Gulden! Ja, nicht anders!“
„Gott Israels, ich sterbe vor Schreck!“
„Es ist nicht schade um dich!“
„Ich bebe und zittere am ganzen Leib!“
„Wegen deines bösen Gewissens!“
„Mich wird treffen der Schlag!“
„Ich wollte, es träfe dich ein Schlag um den anderen!“
„Ich will mich beruhigen und besänftigen. Sie haben gemacht einen Scherz! Sie werden streichen ein Nüllchen von dieser großartig unendlichen Ziffer!“
„Wenn du dich nicht bald erklärst, hänge ich noch eine Null hinan, anstatt daß ich eine streiche!“
„Das ist zuviel, das ist viel zuviel! Das kann ich nicht geben! Das kann kein Mensch bezahlen!“
„Nun, ist er etwa nicht so viel wert?“
„Er ist wert noch ein klein wenig mehr. Ich sage das, weil ich will sein aufrichtig. Der Schliff aber wird kosten viel Geld. Ein Juwelier wird bieten hunderttausend Gulden.“
„Bloß?“
„Das wird er bieten!“
„Und geben?“
„Geben wird er zwanzigtausend
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