60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
mich! Und diesem einen ist es gelungen, sich auf eine wahrhaft teuflisch raffinierte Weise dieser Beweise gegen mich zu bemächtigen.“
„Sagen Sie aufrichtig; meinen Sie Baron Franz?“
„Ja. Wenigstens wüßte ich keinen anderen.“
„Wie käme er zu Ihrem Messer? Wie käme der Schlüssel in Ihre Tasche. Sie haben das Messer gestern mitgebracht, mit nach dem Forsthaus genommen. Ist der Baron dort gewesen?“
„Nein. Aber halt! Da fällt mir ein, daß ich – ah, ja, meine Herren, als ich den Baron und Alma belauschte, war mir mein Ränzchen hinderlich. Ich legte es hinter den Sträuchern ab. In ihm steckte mein Rasierzeug. Der Baron mußte fliehen. Wie aber, wenn er, um uns beide zu belauschen, heimlich und leise zurückgekehrt wäre, das Ränzchen gesehen, es neugierig geöffnet und sich eines der beiden Messer bemächtigt hätte, um sich desselben auf die vorliegende Weise gegen mich zu bedienen!“
„Diese Kombination scheint mir zu gewagt! Und selbst, die Möglichkeit derselben zugestanden, wie wollen Sie den Umstand mit dem Schlüssel erklären?“
„Auch diese Erklärung ist möglich. Alma nannte mich heut einen Mörder, das raubte mir die Überlegung. Sie war vor Entsetzen in Ohnmacht gefallen; ich kniete lange Zeit neben ihr, ohne etwas anderes als sie zu beachten. Dabei war es leicht, im weichen Boden sich unhörbar heranzuschleichen und mir den Schlüssel in diese offene Seitentasche zu stecken.“
„Und das sollte der Baron getan haben?“
„Ja.“
„Aus einfacher Eifersucht? Unglaublich!“
„Herr Amtmann, kann man wissen, welche weiteren Gründe mitgewirkt haben? Man sagt, die Verhältnisse des Barons Franz von Helfenstein seien außerordentlich derangiert. Ich weiß es aus dem Mund seines Cousins, der hier als Toter liegt, daß er öfters bedeutende Summen ausgegeben hat, um ihn zu retten und immer wieder zu retten. Haben Sie dieses Zimmer genau untersucht? Haben Sie die Kasse mit den Büchern verglichen?“
„Noch nicht; es wird aber geschehen. Wir haben uns jetzt das Material zu sammeln. Gegen Sie spricht der Schein am meisten; es kann gar nicht Schein genannt werden.“
„Aber bei Gott, es ist Schein, meine Herren! Welche Absicht sollte ich gehabt haben, den Baron und den Hauptmann zu ermorden?“
„Eifersucht. Sie sehen, ich gebe Ihnen ganz dieselbe Antwort, welche ich bekommen habe.“
„Eifersucht? Herr Richter, ich bin nicht so wahnsinnig zu glauben, daß ich meine Augen zu Baronesse Alma erheben darf. Und selbst in dem Fall, daß ich für diese Dame ein tieferes Gefühl im Herzen trüge, würde es mich nicht zum Mörder machen. Gegen den Hauptmann übrigens war Eifersucht unmöglich, denn Alma hatte ihm in meiner Gegenwart gesagt, daß seine Absicht auf ihre Hand eine völlig hoffnungslose sei.“
„Sie besitzen unsere vollste Teilnahme, Herr Brandt. Wir werden nichts versäumen, den rechten Täter zu entdecken. Eigentlich haben wir Sie jetzt unten im Wald bei der Leiche des Hauptmannes zu vernehmen; damit Sie aber sehen, daß Ihre Versicherung nicht auf hartnäckigen Unglauben stößt, werden wir vorher erst einmal mit Baron Franz diese Stelle aufsuchen. Vielleicht entfällt ihm eine Äußerung, welche uns eine Handhabe gegen ihn bietet. Wir wollen Ihnen nicht übel, ersuchen Sie jedoch, sich geduldig in das Unvermeidliche zu fügen.“
Er wurde einstweilen wieder gebunden und eingeschlossen. Dann mußte der Baron den Herren der Kommission nach dem Wald folgen. Er mußte sie ganz genau den Weg führen, welchen er gegangen war; natürlich tat er dies auf falsche Weise. Er kannte überhaupt das Terrain so genau, überlegte ein jedes Wort, ehe er es sprach, daß der Verdacht bei ihm nicht den mindesten Angriffspunkt fand.
Dann wurde Gustav Brandt geholt.
Eben als der Gendarm ihn gefesselt die Treppe herunter brachte, fuhren im Hof einige Equipagen vor. Der König kam mit mehreren Herren seines Hofstaates. Er war sehr oft hier zur Jagd gewesen; er hielt große Stücke auf den alten Förster und kannte auch dessen Sohn genau. Wie betreten mußte er also sein, als er diesen jetzt gefesselt und in der Gewalt eines Gendarmen sah. Er sprang in mehr als gewöhnlicher Eile aus der Equipage, winkte die beiden zu sich heran und fragte:
„Brandt, was soll das bedeuten? Sie sind gefangen?“
Gustav erglühte vor Scham bis in den Nacken herab.
„Ja, Majestät“, antwortete er kaum hörbar.
„Weshalb?“
„Ich soll ein Mörder sein.“
„Wer wurde
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