60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
bereuen zu lassen.“
„Die meinige auch. Aber nun darf ich wohl auch in Beziehung auf Brandt ruhig sein?“
„Ja, mein Lieber! Vorausgesetzt natürlich, daß du mir Garantien bietest, denen ich vertrauen kann.“
„Garantien verlangst du?“ fragte er enttäuscht.
„Natürlich!“
„Aber warum denn nur?“
„Siehst du das nicht ein?“ meinte sie, ihm sehr zärtlich die Wangen streichelnd. „Ich weiß, was für ein kleiner, liebenswürdiger Schäker du bist. Ich halte dich sogar für ein wenig sehr vergeßlich. Wie nun, wenn du nach der Verhandlung, nach Brandts Verurteilung nicht mehr an das dächtest, was du mir versprochen hast?“
„Das ist ja ganz und gar nicht möglich!“
„O doch, o doch! Ich werde dich vielmehr ersuchen, mir das Versprechen der Ehe schriftlich zu geben.“
„Alle Teufel! Wo denkst du hin?“
„Du meinst, daß dies noch immer keine Sicherheit bietet? Ja, da hast du recht. Du wirst dich also nachher mit mir zum Pfarrer bemühen, um ihm zu erklären, daß ich deine Verlobte bin.“
„Verdammt! Das werde ich allerdings unterlassen!“
Ihr Gesicht nahm einen hoch ironischen Ausdruck an. Sie fuhr fort:
„Und sodann wirst du mir das schriftliche Bekenntnis geben, daß du den Baron Otto von Helfenstein ermordet hast.“
Da fuhr er empor, als ob er auf eine Schlange getreten sei.
„Was fällt dir ein!“ rief er. „Hältst du mich für einen Dummkopf, für einen verrückten Menschen?“
„Nein, nein! Ich halte dich für das, was du bist: für einen Bösewicht, dem alles zuzutrauen ist, dessen Frau ich aber dennoch werden will, weil ich sonst keinen Baron bekomme. Verstehst du mich? Ich will Baronin von Helfenstein werden, oder du gehst auf das Schafott. Die Ella oder die Guillotine – du hast die Wahl!“
„Mädchen, ich wähle ja dich! Aber deine Forderungen sind ja geradezu beleidigend!“
„Deine Weigerung ist ebenso beleidigend. Ich will doch nicht haben, daß du denken sollst, eine Frau zu bekommen, welche so leicht zu übertölpeln ist. Nein, du sollst vielmehr Respekt vor mir haben. Du sollst diesen Respekt bereits heute bekommen. Du sollst sehen, daß wir einander vollkommen wert sind. Darum sage ich dir aufrichtig, daß ich dir nicht das mindeste Vertrauen schenke. Also, erkläre dich! Ich brenne mir hier eine Zigarette an; wenn ich den letzten Zug getan habe, ist die Bedenkzeit, welche ich dir gestatte, zu Ende; dann werde ich handeln.“
Sie langte wirklich nach dem auf dem Tische stehenden Etui, brannte sich eine Zigarette an und begann zu rauchen. Sie legte sich so zierlich in die Lehne des Sofas zurück, als ob es sich um nichts als eine freundschaftliche Unterredung handele. Er aber befand sich in einer Lage wie in seinem ganzen Leben noch nie.
Er schritt in seinem Zimmer auf und ab und suchte nach Gründen, auszuweichen; aber er fand sie nicht. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er wußte, daß sie nicht ein Pünktchen von ihrer Forderung streichen werde, und sah doch keine Möglichkeit, sich ihrer Hand zu entwinden. Da, jetzt warf sie das nicht zu rauchende Endchen von sich und sagte:
„Nun? Die Entscheidung! Ich gehe!“
Da blieb er vor ihr stehen und fragte in stockendem Ton:
„Was wirst du machen, wenn ich nicht auf deine Forderung eingehe?“
Sie zeigte ihm ein ruhiges, überlegenes Lächeln und antwortete:
„Etwas, woran du gar nicht gedacht haben wirst.“
„Ach! Was könnte das sein?“
„Ich lasse dich arretieren.“
Kaum hatte er diese Worte gehört, so war aus seinem Gesicht alle Farbe gewichen. Daß sie so etwas beabsichtigen könne, war ihm allerdings nicht in den Sinn gekommen; aber er kannte sie und wußte, daß sie dazu fähig sei.
„Arretieren?“ fragte er. „Warum? Was fällt dir ein?“
„Warum? Aus Vorsicht! Du könntest fliehen, ehe ich meine Aussage getan habe. Oder du könntest nun, da du erfahren hast, was ich weiß, auf irgendeine Weise meinen Angaben zuvorkommen. Es ist daher allerdings am besten, ich lasse dich festnehmen.“
Sie stand vor ihm, als ob sie sein Richter sei.
„Weib“, sagte er, „du bist wirklich ein Teufel!“
„Oh, nur eine Teufelin, du aber ein Satan. Du siehst, wir passen sehr gut zusammen. Schade, daß du es nicht willst!“
„Die Arretur würde dir wohl nicht gelingen!“ stotterte er.
„Warum nicht?“
„Weil es in diesem elenden Nest niemand gibt, der sich an mir zu vergreifen wagen würde.“
„Das ist wahr; aber ich habe meine Vorkehrungen getroffen. Deine
Weitere Kostenlose Bücher