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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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seinem Gesichte machte sich der Ausdruck der höchsten Bestürzung geltend. Der Baron fuhr in scheinbar gleichgültigem Ton fort:
    „Soll ich noch hundert andere Namen nennen? Soll ich hinaufgehen in Ihre hintere Stube und die Wanduhr wegnehmen? Dort liegt alles, was notwendig ist zur Anfertigung falscher Pässe und anderer Legitimationen, welche Sie an Personen verkaufen, welche Grund haben, heimlich ihr Vaterland zu verlassen?“
    Der Eindruck dieser Worte auf Levi war unbeschreiblich. Er wurde bleich wie eine Leiche, sank vor Angst in die Knie, streckte die Hände bittend vor und sagte:
    „O mein lieber, hochverehrter Herr von der geheimen Polizei, Sie befinden sich in einem Irrtum, welcher ist ebenso schauderhaft wie gefährlich für mich. Ich schwöre bei –“
    „Schweig!“ donnerte ihn der Baron an. „Willst du leugnen, daß du bereits längst den Hehler gemacht hast für viele Mitglieder der Bande des geheimnisvollen Hauptmanns?“
    „Ja, ich leugne, ich leugne, ich muß leugnen, denn es ist nicht wahr“, rief der Jude in allerhöchster Angst.
    „Feigling! Dreifacher Feigling! Warum hast du keinen anderen angezeigt und nur diesen einen, den Riesen Bormann?“
    „Er ist der einzige, der gekommen ist; ich hätte jeden anderen ebenso angezeigt.“
    „Lüge nicht. Hast du Kinder?“
    „Ja. Eine Tochter hat mir der Gott Israels gegeben.“
    „Sie heißt Judith?“
    „Ja. Judith ist ihr Name. Sie ist schön wie Sulamith, aber ich habe ihr gegeben den Namen der Heldin, welche getötet hat den Feldhauptmann Holofernes, als er belagerte die Stadt Bethulia.“
    „Nun, in diese Judith war der Riese verliebt. Er wollte sie haben, aber du sagtest nein, und sie mochte ihn auch nicht. Er kam wieder und immer wieder, und um ihn für immer los zu werden, zeigtest du ihn an, obgleich er zu den besten meiner Leute gehört.“
    Während dieser Worte hatte der Baron eine schwarze Maske aus der Tasche gezogen und vor das Gesicht gesteckt. Er erhob sich und trat drohend einen Schritt auf den Juden zu. Dieser fiel abermals in die Knie und rief voller Entsetzen:
    „Herr Sabaoth! Der Hauptmann!“
    „Ja, ich bin es. Ich bin gekommen, mit dir zusammenzurechnen, da deine letzte Stunde nahe ist!“
    Die beiden hatten nicht bemerkt, daß die Tür sich leise geöffnet hatte. Zwei Frauen waren eingetreten, die alte Jüdin und ihre Tochter Judith. Die erstere hatte aus dem Ton des Gespräches gehört, daß ihr Mann sich in einer nicht sehr guten Lage befinde, die letztere war zufällig dazugekommen, und so waren sie grad in dem Augenblick eingetreten, an welchem Levi die Worte: „Herr Sabaoth! Der Hauptmann!“ ausrief.
    Die Alte war schlau und besonnen genug, sofort die Tür zu verschließen, die Tochter trat einige Schritte vor und fragte:
    „Der Hauptmann, der geheimnisvolle Hauptmann sind Sie?“
    „Ja“, antwortete der Baron, indem er sich zu ihr herumdrehte.
    Er konnte von ihr nichts erkennen als die Augen und die Nase, denn nur dies beides allein wurde nicht von dem Tuch bedeckt, welches ihren Kopf und ihre ganze Gestalt umhüllte.
    Da legte sie ihm die Hand furchtlos auf die Schulter. Es war das eine weiße, schimmernde, kräftige und doch feine Hand, was er aber gar nicht bemerkte. Sie fragte:
    „Du willst mit Salomon Levi zusammenrechnen?“
    „Ja, sofort!“
    „Seine letzte Stunde ist nahe?“
    „Ja, sehr nahe!“
    „Nun, so ist auch die deinige gekommen!“
    Diese Worte wurden so ruhig und drohend gesprochen, daß der Baron unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
    „Schwätzerin!“ rief er.
    „Ich schwatze nicht! Wir haben von dir gehört; wir kennen sehr viele deiner Leute, du bist streng und erbarmungslos. Aber wer wie wir mit Räubern und Mördern verkehrt, weiß seine Maßregeln zu treffen!“
    „Ah! Welche sind das?“
    „Das ist unser Geheimnis. Tust du meinem Vater nur das Geringste zuleide, so wirst du dieses Haus nicht lebendig verlassen!“
    Sie sagte das mit solcher Sicherheit, solcher Überzeugung, daß er zu glauben begann, sich in Lebensgefahr zu befinden. Darum sagte er:
    „Pah! Mir macht ein Weib nicht bange. Ich habe mit Levi zusammenzurechnen. Finde ich ihn zu leicht, so schnellt er in die Luft!“
    „Und du sinkst in die Erde. Was hast du gegen uns?“
    „Daß ihr Bormann angezeigt habt.“
    „Das durften wir.“
    „Das durftet ihr nicht. Ihr wußtet ja, daß er zu meinen Leuten gehört.“
    „Er hatte den Einbruch nicht auf dein Geheiß, sondern allein auf seine Rechnung

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