600 Stunden aus Edwards Leben
bringt mich zum Parkplatz von
Albertsons
. An einem Dienstagmorgen, während die meisten anderen Leute von Billings arbeiten, geht mein Einkauf zügig vonstatten: Hackfleisch, Spaghetti, Spaghettisoße, Tiefkühlgerichte,
DiGiorno
-Pizza (diesmal »Spezial«), ein Zwölferpack
Dr. Pepper
Light, Cornflakes, Milch und Eiskrem.
Die Selbstbedienungskasse ist ein Kinderspiel, und kurz darauf sitze ich wieder in meinem 1997er Toyota Camry und biege für den Nachhauseweg immer rechts ab.
An der Ecke Grand Avenue, 8th Street West, zwei Straßenecken vom letzten Abbiegen entfernt, liegt Billings Innenstadt wie eine Schüssel unter mir. Das ist mein liebster Ausblick auf die Stadt, besser noch als von den umliegenden Rimrocks aus. Ich sehe das Gebäude der
First Interstate Bank
vor dem Hintergrund des Sacrifice Cliff – »Opferfelsen« –, eine Felswand des Canyons am Yellowstone River.
Wirklich schön.
Wieder zu Hause, räume ich die Lebensmittel ein und entschließe mich zu einem frühen Mittagessen: aufgewärmte schwedische Fleischbällchen. Ich will nicht zu viel essen, da ich heute bei meinen Eltern zu Abend essen werde, was ich einmal im Monat tue. Ich will auch nicht zu wenig essen, da ich vielleicht vor dem Essen wieder gehen werde. Bei meinen Eltern kann ich das nie vorhersehen.
Die Abende sind oft eine Qual. Meine Mutter behandelt mich wie ein Kind, und mein Vater behandelt mich wie irgendeinen beliebigenWähler, außer, wenn er mich wie einen Versager und eine Enttäuschung behandelt. Nach den Ereignissen der letzten Woche ist es nicht schwer zu erraten, welche Version er heute in mir sehen wird. Trotzdem werde ich es erst dann genau wissen, wenn ich dort bin. Ich denke an das, was Dr. Buckley über meinen Vater gesagt hat, immer und immer wieder: Ich solle alles mir Mögliche tun, um mein eigenes Verhalten zu kontrollieren, und bei ihm einfach auf das Beste hoffen. Dr. Buckley ist eine sehr logische Frau.
Auf
Montana Personal Connect
erwartet mich ein erhoffter Anblick:
Posteingang (1).
Ich klicke auf den Link.
Lieber Edward,
du bist wieder mal SOOOO witzig gewesen. Ich glaube ich kann dir verzeihn das du Garth Brooks nicht magst.
Hättest du Lust am Freitag was zu machen? Vielleicht könnten wir uns in Billings in dieser neuen Weinstube am Broadway treffen. Ich hab viel gutes drüber gehört.
Ist 20 Uhr okay? Ich weiß das klingt vielleicht drängelig aber weils meine Idee war dachte ich: Ich schlag das jetz einfach mal vor.
Sag mir Bescheid …
Joy
Ich schreibe zurück:
Joy,
ich würde Dich am Freitag sehr gern in der neuen Weinstube treffen. Könnten wir uns auch schon um 19 Uhr sehen? Dannhabe ich genug Zeit, um für den
Polizeibericht
wieder zu Hause zu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Edward
Das Haus meiner Eltern liegt oben auf den Billings Rimrocks, sodass man auf die geschäftige Stadt mit ihren 100.000 Einwohnern hinunterblicken kann. Für nur zwei Personen ist es ein riesiges Haus: 560 Quadratmeter mit Steinfliesen, eine Küche mit doppeltüriger Kühl-Gefrier-Kombination, ein Sportschwimmbecken, eine Sauna und ein riesiger Garten, in dem meine Mutter tagsüber arbeiten kann. An der Südseite des Hauses, Richtung Stadt, sind riesige Panoramafenster. Als mein Vater einmal Besucher durchs Haus führte, habe ich ihn sagen hören, die Fenster würden ihm erlauben, ständig auf die Stadt zu sehen, »die Stadt, die ich liebe«. Ich denke, wahrscheinlicher ist, dass ihm aus dieser Höhe der Blick auf seine Untertanen gefällt, ohne dass sie ihn sehen. Es ist gemein, so etwas zu denken, und es ist weniger eine Mutmaßung als eine fundierte Meinung, aber vielleicht wäre es besser, wenn ich die Tatsachen abwarte.
Auf dem Weg zu meinen Eltern beschleicht mich immer eine dunkle Vorahnung, und das liegt nicht nur an meinen Eltern. Wenn ich auf der 27th Street zu den Rimrocks hochfahre, am Flughafen nach Westen abbiege und drei weitere Kilometer bis zu ihrer Abzweigung fahre, muss ich häufig links abbiegen, und dieses Linksabbiegen – ich bevorzuge es, rechts abzubiegen – führt mich aus meiner Welt hinaus in ihre. Ihre Welt ist nicht das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Als ich noch ein junger Mann war, und ich nehme an, das ist lange her, wohnten wir in einem schönen Haus mit drei Schlafzimmern im Westen von Billings. In der zweiten Hälfte der Neunziger, als ich immer noch bei meinen Eltern lebte, machte mein Vater einige vorteilhafte (ich liebe das Wort
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