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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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»vorteilhaft«)Investitionen im Bereich Informationstechnik und stieg wieder aus dem Geschäft aus, bevor er 2001 ebensolche Verluste erlitten hätte wie andere Investoren.
    Sobald ich aus dem Haus aus- und in die Clark Avenue eingezogen war – wegen des »Garth-Brooks-Debakels« –, verkauften meine Eltern das Haus und zogen hierher. Es ist ihr Haus. Nicht meines.
    Am schmiedeeisernen Tor drücke ich auf den Rufknopf. Nach einiger Zeit höre ich die Stimme meiner Mutter.
    »Ja, bitte?«
    »Hier ist Edward.«
    »Komm rein, mein Schatz.«
    Das Tor öffnet sich. Ich habe das Gefühl, als müsste ich mich übergeben.

    »Na, da ist ja unser Krankenhausheld«, dröhnt mein Vater, als ich ins Foyer trete. Der letzte Rest des Nachmittagslichts fällt durch das Oberlicht auf mich herab.
    »Hallo, Vater.«
    Er kommt zu mir, gibt mir aber weder die Hand noch umarmt er mich. Er trägt ein rosa-weißes Golfshirt, eine akkurat gebügelte Hose und Slipper – ohne Socken. Diesem Look ist mein Vater seit dreißig Jahren treu. (Ich liebe den Ausdruck »etwas treu sein«.). Wegen der Fahne, die zu mir herüberweht, vermute ich, dass er bei seinem zweiten Scotch mit Soda ist. Vielleicht auch dem dritten. Ich mag keine Vermutungen. Ich bevorzuge … Ach, vergessen Sie’s. Es ist egal.
    »Wie geht es dir, Edward?«
    »Gut.«
    »Gut, ja?«
    »Ja.«
    »Als ich dich das letzte Mal sah, ging es dir ja nicht so gut.«
    »Es ist wieder alles okay.«
    »Ich habe gehört, was passiert ist.«
    »Was?«
    »Du hast die Polizei verständigt und diesen Freund von ihr mitnehmen lassen.«
    »Hat die Polizei dich angerufen?«
    »Nein, Edward. Aber ich bin ein gottverdammter Landrat. Ich erfahre solche Sachen.«
    »Ja.«
    »Abschaum.«
    »Was?«
    »Dieser Typ. Er ist Abschaum.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Tja, das hast du gut gemacht, das muss ich dir lassen, Edward.«
    »Danke, Vater.«
    »Dann komm mal rein.«

    Meine Mutter ist in der Küche, wo sie zwischen Arbeitsinsel und Herd und Kühlschrank hin und her wuselt, um das Abendessen zuzubereiten.
    »Da ist ja mein Junge«, sagt sie, als sie mich sieht. Sie stürzt auf mich zu, kneift mir in die Wangen und gurrt. Ich hasse diesen Teil.
    »Es gibt dein Lieblingsessen: Schweinelendchen, gebackener Spargel und Rosmarinkartoffeln.«
    »Mein Lieblingsessen sind Spaghetti.«
    »Aber das magst du auch.«
    »Ich schätze, ja.«
    »Das ist gut.« Sie lässt von mir ab und widmet sich wieder dem Kochen. Meine Mutter gehört zu den Frauen, die permanent herausgeputzt sind, selbst wenn sie Essen kochen. So ist sie schon, solange ich sie kenne, und das ist mein ganzes Leben. Als Kind durfte ich sie immer erst sehen, nachdem sie sich geduscht, geschminkt und frisiert hatte. Sie war eine schöne Frau damals – groß und schlank, aschblondes Haar, alles an seinem Platz. Man kann diese Schönheit immer noch erkennen, wobei sie mit dreiundsechzig einen vergeblichenKampf dagegen führt, dass ihr Haar immer grauer wird und ihre Taille immer dicker. Ihre Kleider, Fingernägel und Schuhe sind, wie immer, makellos.
    Mein Vater steht im Esszimmer und starrt aus einem der Fenster in die aufziehende Dunkelheit.
    »Schwanzlutscher«, sagt er zu niemand Bestimmtem.
    »Ted«, schilt meine Mutter.
    »Ach, Scheiße, Maureen. Tut mir leid.«
    Wenn mein Vater trinkt, so wie jetzt, nimmt sein Gebrauch von Schimpfwörtern – wie »Scheiße« und »verdammt« und, ja, auch »Schwanzlutscher« – exponentiell zu. Es kann amüsant sein zuzuhören, wenn man nicht selbst das Ziel dieser Wörter ist.
    »Es ist nur diese gottverdammte Sache mit der Wirtschaftsentwicklungsagentur. Diese Arschlöcher machen mich noch fertig.«
    Ich habe im
Billings Herald-Gleaner
darüber gelesen. Der Ausschuss für Wirtschaftsentwicklung des Landes, in dem mein Vater und zwei weitere Landräte sitzen, will einen neuen Direktor einstellen. Mein Vater hat einen Freund empfohlen, jemanden, der vor Jahren mit ihm im Ölgeschäft gearbeitet hat. Der Mann kam zu einem Vorstellungsgespräch nach Billings und machte einen exzellenten Eindruck – so exzellent, dass er den Job so gut wie in der Tasche hatte. Aber während er noch in der Stadt war, wurde er mit Trunkenheit am Steuer erwischt, und der Ausschuss will ihn als Kandidaten streichen. Mein Vater ist sein einziger Fürsprecher, und er und die anderen Landräte beschießen sich nun gegenseitig über die Zeitungen und Fernsehnachrichten.
    Ich weiß nicht, wer recht hat, und es interessiert

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