600 Stunden aus Edwards Leben
sich herausstellt, nimmt ihn heute ein kurzer Leitartikel mit der Überschrift »Stanton wieder daneben« in die Pflicht.
Der Ausschuss der
Big Sky
Wirtschaftsentwicklungsagentur muss immer noch einen neuen Direktor wählen, aber es war klug, den Kandidaten Dave Akers nach seiner Verhaftung wegen Trunkenheit am Steuer – kurz nach seinem Vorstellungsgespräch vor dem Ausschuss – fallen zu lassen. Wir können nur hoffen, dass Akers brennender Befürworter, Landrat Ted Stanton, die Weisheit dieser Entscheidung erkennt und die unablässige Kritik an seinen eigenen Kollegen einstellt.
Der
Herald-Gleaner
war immer offen in seiner Kritik an Landrat Stantons mangelhafter Art, diesen Landkreis zu regieren, aber es wäre nachlässig von uns, nicht auch sein politisches Geschick und den Wert seiner Erfahrung in Wirtschaft und Finanzen anzuerkennen. Von dieser Kompetenz können die Bewohner dieses Landkreises häufig profitieren. Doch niemandem ist damit gedient, wenn die Trommel für einen Mann gerührt wird, der niemals den Posten erhalten wird, den er anstrebt.
Der Wartebereich vor Jay L. Lambs Büro ist untadelig. Im Gegensatz zu Dr. Buckleys Wartezimmer, das sich häufig in verschiedensten Stadien des Durcheinanders befindet und in dem Zeitschriften wie
People
oder
Sports Illustrated
ausliegen, ist das von Jay L. Lamb makellos sauber und fast antiseptisch. Die Einrichtung ist modern – Chrom und Glas und Hartplastik. Ich finde sie unbequem und ungemütlich. Die Zeitschriftentitel klingen nicht so ansprechend wie bei Dr. Buckley – hier gibt es
Kiplinger’s
und
Inc
. und
Portfolio
, in denen fast jede größere Geschichte mit Investitionen zu tun hat.
»Mr Lamb sagt, Sie können jetzt reingehen«, verkündet die Empfangsdame, die perfekt geschminkt und perfekt frisiert ist und perfekt gleichmäßige Gesichtszüge besitzt. Sie passt gut zu den Möbeln.
Ich erhebe mich und sehe auf die Uhr. Es ist 9:03 Uhr. Ich gehe durch die Bürotür links vom Empfangstisch. Während ich sie aufschiebe, atme ich tief durch.
»Setzen Sie sich, Mr Stanton«, sagt Jay L. Lamb.
Ich zögere einen Moment, da Mr Stanton direkt neben Jay L. Lambs rechter Schulter steht. Jay L. Lamb selbst sitzt hinter einem teuren Schreibtisch mit Glasplatte. Dann merke ich, dass er mich meint.
Ich setze mich. Die Stühle hier sind genauso unbequem wie draußen.
»Hallo, Edward.«
»Hallo, Vater.«
Jay L. Lamb räuspert sich, als wollte er sprechen, doch mein Vater kommt ihm zuvor.
»Was hast du am Montag im Gericht gemacht?«
»Woher weißt du, dass ich da war?«
»Spar dir den Scheiß, Edward. Das hatten wir schon mal. Ich weiß eben Dinge.«
Ja, aber das ergibt keinen Sinn. Die Arbeit meines Vaters hat, abgesehen davon, dass die Bezirksregierung ihren Sitz im Gerichtshaus hat, nichts mit Gerichtsprozessen zu tun. Wir sind uns nicht begegnet, als ich dort war. Und soweit ich weiß, ist Lloyd Graeve nicht mit meinem Vater befreundet.
Moment mal. Lambert, Slaughter & Lamb, Rechtsanwälte. Sean Lambert. Mike Simpsons Verteidiger. Das muss es sein.
»Ich war mit einer Freundin dort.«
»Wer ist deine Freundin?«
»Meine Nachbarin.«
»Wie heißt deine Nachbarin?«
»Donna Middleton.«
»Du warst im Gericht mit Donna Middleton, der Frau, die mich vor noch nicht mal zwei Wochen gebeten hat, dass du dich von ihr und ihrem Sohn fernhältst?«
Jetzt meldet sich Jay L. Lamb zu Wort. »Am einundzwanzigsten Oktober haben Sie einen Brief erhalten, in dem Sie wegen des von Ihnen verursachten Aufruhrs in der
Billings Clinic
gewarnt wurden. Ihr Vater hat die Situation für Sie entschärft und Sie gebeten, die Familie in Ruhe zu lassen.«
»Was meinen Sie mit ›in Ruhe lassen‹?«
»Du weißt, verdammt noch mal, genau, was er meint«, sagt mein Vater.
»Sie ist eine Freundin. Die Situation hat sich seit dem Tag im Krankenhaus geändert.«
»Es interessiert mich nicht, was sich geändert hat, Edward. Mich interessiert es zu erfahren, warum du mich permanent herausforderst, permanent in Situationen gerätst, aus denen du gerettet werden musst, und diese spezielle Situation permanent schwieriger machst, als sie sein muss.«
»Was meinst du mit ›spezielle Situation‹?«
»Deine Frechheiten bringen dich hier nicht weiter, Edward.«
»Ich bin nicht frech. Ich stelle dir nur eine Frage. Was für eine Situation?«
»Das weißt du, verdammt noch mal, ganz genau.«
»Ich weiß, dass du ohne deinen Anwalt nichts mit mir besprechen
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